Aquavit auf „Kümmelschnaps“ zu reduzieren wird in den letzten Jahren immer schwieriger; genau wie bei Gin – eigentlich auch „nur“ ein Wacholder-Schnaps – arbeiten die Hersteller im Norden mehr und mehr daran, um das Kern-Botanical herum Geschichten und Geschmäcker aufzubauen, die aus dem Herrengedeck-Einheitsbrei ausbrechen. Einer dieser Hersteller ist die Brennerei Kimerud aus Norwegen und ihr Håvaldsen Aquavit punktet neben einer spannenden Botanical-Liste auch mit einer Triple-Cask-Lagerung. Ob sich das auch geschmacklich widerspiegelt? Lest ihr gleich; aber erstmal zu den Fakten.
Die Flasche für dieses Tasting wurden uns von Haromex, dem deutschen Vertrieb von Kimerud, zur Verfügung gestellt, Bedingungen gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Die Story hinter Håvaldsen Aquavit
Die Kimerud Distillery sitzt im norwegischen Lier und brennt dort vor allem den Kimerud Gin in diversen Varianten. Dafür setzt man vor allem auf Botanicals aus dem Anbau auf der eigenen Farm und laut eigener Aussage auch auf solche Zutaten die zur Wikingerzeit als Nahrung und Medizin benutzt wurden. Während Master Distiller Ståle Johnsen Kimerud selbst erst seit 2007 betreibt, ist die Farm seit 1785 in Familienbesitz. Die spielt für den Kümmel eine wichtige Rolle; seinen ersten eigenen Aquavit widmet er nämlich seinem Großvater Herold Håvaldsen, einem norwegischen Minenarbeiter, der im zweiten Weltkrieg in der Marine diente.
Die Techniken aus der Gin-Herstellung wendet Johnsen auch beim Aquavit an: Alle Botanicals werden gleichzeitig in Alkohol mazeriert und zusammen destillert – mit Koriander, Angelika, Minze, Ingwer, Orange und Zitronenschale neben dem stilbildenden Kümmel liest sich die Liste dann auch praktisch genau wie bei einem Gin. Den Wacholder mal außen vor. Was sich stark vom Gin unterscheidet ist dann allerdings die Lagerung in drei verschiedenen Fässern, die dem Aquavit dann auch seinen vollständigen Namen Håvaldsen Triple Cask Aquavit verleihen. Insgesamt neun Monate verbringt das Destillat in Ex-Sherry und Ex-Madeira-Fässern sowie Fässern aus französischer Weißeiche. Trinkempfehlung: Als Digestif oder in Cocktails. Zum Glück haben wir gerade gegessen:
So schmeckt Håvaldsen Triple Cask Aquavit
Mit der Farbe von hellem Stroh strahlt der Håvaldsen im Glas und zieht nach dem Schwenken einen schönen Vorhang aus Tropfen am Glasrand. Der Duft ist eindeutig Aquavit, mit prägnanten Kümmelnoten, aber auch mit einer schönen Eleganz. Orangennoten sind merklich da, zusammen mit einer gewissen Zitronenfrische und dem Aroma von leicht verkohltem Holz. Nach ein paar Minuten des Atmens lassen sich auch der Koriander und die frische Minze erschnuppern.
Nase: Kümmel, Orange, Zitrone, Holz, Koriander, Minze
Mund: Kümmel, Zitrone, Koriander, Orange, Eiche, Bitternoten, Sherry, Brotgewürz
Auf der Zunge kommt der Aquavit mit einer ungeahnten Spritzigkeit und Frische an. Neben dem Kümmel ist auch die Zitrone sofort präsent, der Koriander bricht sich nach den ersten Zentimetern auf der Zunge Bahn und am Gaumen ist da wieder die Orange, allerdings ein wenig saftiger als noch in der Nase. Der Abgang zeigt ganz klare Eichennoten, etwas Bitterkeit und auch einen leichten Hauch von Sherry. Der langlebige Nachklang teilt sich zwischen Brotgewürz und Zitrone auf. Ein Aromen-Trommelfeuer, das nach der eher milden Nase unerwartet kam.
Der Aquavit pur und in Cocktails
Ein wunderbarer Aquavit für den Pur-Genuss, der butterweich und mit vielen spannenden Aromen den Gaumen entlangrudert. Auch, wenn man es rein olfaktorisch noch nicht erwartet, steht er in Cocktails ebenfalls seinen Mann: Old Fashioned-Varianten mit ein paar Tropfen Tabak- oder Schokoladenbitters sind eine Freude, Manhattans mit rotem Wermut funktionieren ebenfalls sehr gut, genauso wie ein Trident, den wir einmal klassisch (Cynar, Campari, Aquavit) und einmal in einem spannenden Twist mit Pampelle ausmixen.
Weil unser letzter Vieux Carrè-Twist mit Rye & Rum zuletzt so gut funktioniert hat, versuchen wir uns für diesen Artikel gleich mal an einer Version mit Aquavit. Das Ergebnis ist spannend – das eigentliche Highlight im Test ist aber das rosa Monster aus dem Aufmacher-Bild oben. Denn der Labskaus in Torino ist ein süß-bitter-herber Überraschungsdrink, der euch mit seiner rosa Optik nur einlullen will.
Gamle Sted
- 3 cl Aquavit
- 3 cl Rum
- 3 cl Roter Wermut (wir nehmen Mancino Rosso1 )
- 1 TL Ahorsirup
- 2 Spritzer Peychaud’s Bitters
- 2 Spritzer Angostura Bitters
Alle Zutaten zusammen auf Eis rühren. Mit Zitronenzeste garnieren. Trinken.
Labskaus in Torino
- 4 cl Advocaat (wir nehmen By the Dutch1 )
- 3 cl Aquavit
- 3 cl Rinomato1
- 3 Spritzer Angostura Bitters
- 0,5 cl Ahornsirup
Auf Eis rühren, in einen Tumbler mit frischem Eis abseihen und mit einer Limettenzeste garnieren. Trinken.
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Fazit: Spannender, in der Nase noch recht milder Aquavit, der klar aber unaufdringlichen nach Kümmel schmeckt und auch seinen anderen Botanicals genug Raum lässt. Top für Twists von Gin-Drinks, die nach einem Hauch von Fass und Norden schreien, aber auch in Manhattan- und Old Fashioned-Varianten ein Genuss.
Daten: 40 Prozent, Norwegen, 0,7 Liter, um 33 Euro
Der Deutsche Vertrieb von Kimerud, die Haromex Development GmbH, hat uns die Flaschen für redaktionelle Zwecke zur Verfügung gestellt, danach aber weder auf Art noch Umfang eventueller Artikel, noch das Tasting Einfluss zu nehmen versucht. Wir sagen Danke für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit.
1 Bei den markierten Produkten handelt es sich um Spirituosen, an deren Vertrieb Johann in seinem Dayjob beteiligt ist. Er bekommt keine Provision für ihre Erwähnung und sein Arbeitgeber hat keinen Einfluss darauf, wann und in welcher Weise er auf Cocktailbart Produkte des Unternehmens erwähnt.
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