So manche Spirituose lebt heutzutage nur vom Marketing, von einer guten Story, von einer Idee. Das geht so weit, dass man vielen Agency made Gins (sprich: Gins, die von Werbeagenturen mit Lohnbrennereien zusammengeklöppelt werden) nachsagt, sie wären nicht mehr als 40prozentige heiße Luft in schönen Flaschen. Hinter Burgen Gin steht mit der Schlitzer Destillerie eine Brennerei mit über 400 Jahren Tradition. Von „Agency made“ sind wir damit ganz weit weg, von heißer Luft genauso. Aber der hessische Wacholder wirft eine komplett andere Frage auf: Kommt eine Spirituose heutzutage komplett ohne Hintergrundstory aus?
Die Flasche für dieses Tasting wurde uns von Burgen Drinks zur Verfügung gestellt, Bedingungen an den Artikel gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Die Story hinter Burgen Gin
Burgen Gin ist ein Produkt der Marke Burgen Drinks von Kai Hofmann. Wie alle Produkte der Marke wird er in der Schlitzer Destillerie gebrannt, die mit dem Slogan „Die wohl älteste Destillerie Europas“ wirbt und auch auf der Flasche verewigt wird. Mit dem Gründungsjahr 1585 könnte das tatsächlich hinkommen, so sicher ist man sich angesichts des abgeschwächten Superlativs da aber wohl selber nicht. Das traditionsreiche Haus ist in Hessen für seine Brände bekannt und beliebt. Da die Destillerie aber in der Hand der Stadt liegt und über die Jahrhunderte oft den meist adligen Besitzer wechselte, fehlt es ein wenig an der Familiengeschichte und Frontmännern/-frauen, die man sich bei dieser mächtigen Historie wünschen würde. Das reißt auch das ursympathisch auftretende Brenner-Team nicht raus.
Burgen Drinks scheint auf den ersten Blick die junge, moderne Marke des Unternehmens zu sein – eine ausgelagerte Verjüngungskur, um das Know How und die vielgelobte Qualität in den Rest Deutschlands zu exportieren. Wohlgemerkt: Wir wissen’s nicht, es wird nirgendwo erklärt. Was wir wissen: die wuchtige Flasche mit dem Burgen-Logo, die für alle Brände der Marke verwendet wird, die macht was her und der Name und das Logo beruhen auf der Burg in Schlitz, die auch auf dem Etikett verewigt ist. Die ersten drei Brände der Reihe: ein Wodka, ein fassgereifter Korn und eben der Burgen Gin, der Frontmann der Reihe.
Der gibt sich mindestens so mysteriös wie die Marke selbst: er wird unter Vakuum destilliert und neben Wacholder befinden sich unter den Botanicals Früchte und Kräuter. Das war’s an Information. Wo andere Gins mit exotischen Nüssen oder heimischem Obst kokettieren, sagt Burgen Gin einfach mal gar nichts. Stattdessen geht man im Preis mit 39,99 über die magische Grenze von 35 Euro, die sich in den letzten Jahren für den halben Liter Gin eingebürgert hat. Auf der einen Seite finden wir dieses gelebte Understatement spannend – auf der anderen Seite erschreckend intransparent in Zeiten, in denen Marken wie By the Dutch den kompletten Herstellungsprozess samt allen Botanicals auf’s Etikett kleben. Aber jetzt die Kernfrage: Schmeckt der Gin so gut, dass er sich das erlauben kann?
So schmeckt Burgen Gin
Im Glas ist er kristallklar und schön schwer, nach dem Schwenken bewegt er sich nur sehr langsam zurück ins Glas. In der Nase kommen intensiv aber nicht aufdringlich Wacholder und Zitronenschale an, ein Hauch Grapefruit dazu. Dahinter ein leichter Anstrich von Kamille und Minze. Hat man die hinter sich gelassen, macht sich ein warmer, brotartiger Geruch breit, der sich nach einer Weile als Kümmel herausstellt. Im Aroma bleibt er damit sehr klassisch mit urigen Einschlägen.
Nase: Wacholder, Zitronenschale, Grapefruit, Kamille, Minze, Kümmel
Zunge: Zitrone, Wacholder, Pfeffer, Kümmel, Koriander
Im Mund kommt er warm und sehr mild an, hier herrscht vor allem die Zitrone vor. Die Zunge wird umspült mit Wacholder und einer ganz sanften Pfeffernote. Daneben ist es jetzt der Kümmel, der hervorsticht, begleitet von Koriander. Im Abgang kommt noch einmal die Grapefruit hinterher. Der Burgen Gin ist insgesamt recht trocken und bleibt noch eine Weile im Mundraum präsent, ist dabei aber weder aufdringlich noch herausragend langatmig. Ein guter Gin, der Spaß macht.
Burgen Gin in Cocktails und Gin Tonic
Der Burgen Gin ist klassisch mit merklichem Wacholder, ohne diesen in den Vordergrund zu rücken. Das Haupt-Aroma ist wohl die Zitrone, ohne dass diese mit brutaler Wucht durch alles andere durchschlägt. Damit eignet er sich insgesamt eher für klassische Drinks wie einen Aviation oder einen Martini, in denen er sehr runde Ergebnisse erzielt, die nicht diese wacholdrige Schwere aufweisen, die diese Cocktails mit einem klassischen London Dry Gin bekommen würden. Ein bisschen wirkt der Burgen Gin hier wie das evolutionäre Bindeglied zwischen London Dry und New Western Dry Gins.
Im Gin Tonic funktioniert er am besten mit Tonic Water, das sein zitroniges Aroma und den Wacholder noch unterstützt und ihn nicht zu sehr süßt. „Normale“ Tonics wie das Fever Tree Indian Tonic, das Thomas Henry Tonic Water oder Schweppes Indian Tonic geben einen guten G&T, Aqua Monaco Extra Dry oder Schweppes Dry einen hervorragenden. Als Deko sorgten Zitronenzesten für eine zu krasse Zitrusfrische, Gurkenscheiben oder getrockenete Grapefruit wären unsere Empfehlung an der Stelle. Varianten mit Light Tonics wirken ein bisschen wässrig und erinnern etwas an Zitronenlimonade.
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Fazit: Burgen Gin ist ein handwerklich einwandfreies Destillat zu einem überdurchschnittlich hohen Preis, das an seiner (bisher noch) nicht vorhandenen Story krankt und das auch geschmacklich seine Lücke erst noch finden muss. Wir hoffen auf ein paar inspirierende Signature Drinks in naher Zukunft!
Daten: Deutschland, 39,99 Euro, 0,5 Liter, 45 Prozent
Burgen Drinks hat uns eine Flasche des Burgen Gin für redaktionelle Zwecke zur Verfügung gestellt, danach aber weder auf Art noch Umfang eventueller Artikel, noch das Tasting Einfluss zu nehmen versucht. Wir sagen Danke für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit.
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