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Stocker’s Tschin – der Dry Gin aus Oberbayern im Pur-Tasting und Cocktail-Test

Ursprünglich begann dieser Text mal mit einem Loblied auf die Dorf- und Kleinstandbrennerei. Ein schnelles, in der Bahn getipptes Artikel-Intro mit einer Rechtfertigung dafür, warum klassische, eher kleine Obstbrennereien wie die Brennerei Stocker aus Tattenhausen einen Gin brennen müssen, um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und mit einer flammenden Mahnrede, die euch alle darin erinnert, dass ihr eigentlich viel mehr Marillenbrand trinken solltet. Haben wir dann alles weggehauen. Weil nach dem ersten Schluck klar war: den Stocker’s Tschin MUSSTE niemand brennen. Diesen Dry Gin WOLLTE jemand brennen. Und zwar mit Herzblut. Aber von vorn.

Die Flasche für dieses Tasting wurde uns vom Hersteller zur Verfügung gestellt, Bedingungen an den Artikel gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.  

Die Brennerei Stocker aus Oberbayern

Wir geben’s zu: Als Christian Stocker uns anschrieb, ob wir nicht den Stocker’s Tschin probieren möchten, da hatten wir von der Brennerei bei Rosenheim noch nie etwas gehört. Wie auch? Im Internet findet man außer dem eigenen Shop und einigen Online-Händlern, die die Stocker-Brände führen, nur wenige Quellen. Christian führt die Hofbrennerei in dritter Generation und brennt für seinen Beruf: Er ist ausgebildeter Edelbrandsommelier, will das, was ihm die Familie mitgegeben hat, bewahren und weiterdenken. Tradition und Moderne verbinden – ähnlich wie das die Jungs von Vollkorn oder der Blutwurz-Penniger gerade machen.

Bei Christian Stocker läuft diese Verjüngungskur eine Spur zurückhaltender als bei den genannten Beispielen. Er macht halt erstmal einen Gin, statt Brimborium den Stocker’s Tschin – und räumt damit gleich mal die Goldmedaille beim Wein-Magazin Selection ab. Die Botanicals des Stocker’s Tschin sind Zitronengras, Zimt, Schlehen, Vogelbeeren, Koriander, Lavendel, Piment, natürlich Wacholder und darüber hinaus zwei geheime Zutaten. Damit ist er ziemlich nah an anderen Obst-Brenner-Gins wie dem zimtlastigen Applaus Gin oder dem vogelbeerlastigen Lucky Hans. Die Kernfrage ist also: kann er rausstechen?

So schmeckt Stocker’s Tschin

Die Flasche ist vergleichsweise simpel gestaltet, unauffällig. Der Gin selbst liegt hell im Glas hell und fast schon eher cremig als ölig. In der Nase steht der Wacholder voran, aber nicht zu aufdringlich. Höflich macht er zunächst dem Zimt Platz, dann einer fruchtigen Note,  die wir eher als Schlehe denn als Vogelbeere identifizieren. Wir riechen Kräuter und nach einer Weile auch ganz eindeutig das frische Zitronengras. Wäre dieser Anklang von Zimt nicht, hätte der Stocker’s Tschin ein bisschen was von Frühlingswiese.

Nase: Wacholder, Zimt, Schlehe, Zitronengras, Kräuter

Zunge: Wacholder, Malz, Schlehe, Zitronengras, Koriander

Auf der Zunge ist der Gin zunächst nicht irre intensiv, eher zurückhaltend. Ein bisschen Wacholder mit einer leicht malzigen Note und etwas Schlehe entfaltet sich auf der Zunge. Am Gaumen aber, da entdecken wir es dann, das Alleinstellungsmerkmal – hier kommt das Zitronengras, mit einer unerwarteten, aber tollen Intensität. Im Abgang dann dominieren die Kräuter mit einer angenehmen Koriander-Note. Der Nachgeschmack hat ein bisschen was von Thai-Essen, im absolut positiven Sinne: eine schöne frisch-herbe Mischung mit einer leichten Schärfe: Im Mund ist der Stocker’s Tschin trotz seiner 43 Prozent sehr weich, aber ein leicht pfeffriges Brennen ist da. Wohlgemerkt aber keine störenden Alkoholnoten. Eine kleine Anmerkung: Wer sich für ein Tasting mit diesem Gin den ganzen Mundraum ausspült, für den ist das Zitronengras vielleicht schon etwas heftig – dann hat er ein bisschen was von Atembonbon. Zum Glück trinken wir aber privat ja alle wie normale Menschen.

Wie trinkt man Stocker’s Tschin?

Was die Nase an Intensität verspricht, das vermisst man auf der Zunge zunächst, zugegeben. Aber auch wenn er geschmacklich nur langsam kommt, ist der Stocker’s Tschin ein tolles Destillat für den Pur-Genuss. Nur eben eines, für das man sich Zeit nehmen, das man erforschen muss. Tut man das, gibt er ziemlich viel zurück. Will man eigentlich nur ein schnelles Verdauungsgläschen nach dem Schweinshaxen, greift man wohl doch besser zu einem Obstler.

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Ähnlich gelagert ist die Sache, wenn man in Richtung Gin Tonic schaut: Der Gin funktioniert hervorragend mit sehr milden Tonic Waters wie dem Thomas Henry Slim oder einem Fever Tree Mediterranean. Die betonen die Zitrus-Note sogar noch, weswegen wir in der Garnitur mit einer Apfelschale arbeiten: Mit Zitronenzeste wird’s zu zitronig, mit Gurke ist die Sache sehr saisonal: Im Sommer ist das vielleicht die denkbar erfrischendste Kombi überhaupt, im Winter irgendwie falsch. Spannend: Die Kombination mit Indi & Co Tonic Water, das seinerseits sehr kräutrig daherkommt und das Aroma von Kalamansi-Limetten mitbringt. Dieser Gin Tonic ist einfach nur abgefahren anders und tatsächlich sehr nahe an einem frischen Thai-Salat. Probieren auf eigene Gefahr, aber es lohnt sich.

Stocker’s Tschin in Cocktails

Die generelle Ausgewogenheit aus Kräutern, Frische und Frucht macht ihn zu einem tollen Partner in vielen Cocktails, der jedoch zum Beispiel in einem Gin Gin Mule stark untergeht. Cocktail-Rezepte, in denen er hervorragend funktioniert, das sind praktisch alle, in denen er mit kräutrigen Substanzen in Berührung kommt. Im Negroni-Test funktioniert er hervorragend zwischen der Campari-Bitterkeit und der Süße des Roten Wermuts. Und das sagt der Autor dieser Zeilen, obwohl er Negronis sehr lange ganz dool wenig leiden konnte.

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Im Martini bringt uns das dazu, mit ordentlich Angostura Bitters nachzuwürzen – und das Ergebnis ist der Hammer. Klar, geschmacklich sind wir nach drei Dashes Bitters im kleinen Martiniglas schon sehr heftig unterwegs, aber die Zitronengrasfrische und der spritzige Wein-Geschmack eines Noilly Prat fangen das wunderschön auf. Der Martini aus dem Bild ist zugegeben alles andere als schön – aber irre lecker.

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Fazit: Ein toller, aromatisch tiefer Gin, der auf der Zunge im ersten Moment nicht ganz so spannend daherkommt wie in der Nase, den es sich aber zu erforschen lohnt. Die intensive Zitronengras-Note hat Wiedererkennungswert, Preis-/Leistung liegt deutlich über dem Durchschnitt.

Daten: 43 Prozent, 0,5 Liter, Deutschland, 25 Euro

Christian Stocker hat uns für dieses Tasting eine Flasche Stocker’s Tschin zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat er aber weder auf das Tasting, noch den Artikel an sich Einfluss zu nehmen versucht. Vielen lieben Dank für die tolle Zusammenarbeit! 

 

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Johann

Cocktailbarts Archmage of Content bei Nacht, Familienvater & Texter bei Tag. Lieblings-Drink Martini, Lieblings-Spirituose trotzdem Rum. Wohnt in Franken, kommt aus der Oberpfalz (ist beides in Bayern, tschuldigung). Typischer Satz: "Meinste das wär geiler, wenn man Olivenlake reintut?"

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