Rum ist dieser Tage vermintes Feld. In keiner anderen Spirituosen-Kategorie streiten sich Fans so leidenschaftlich über das Für und Wider verschiedener Stile, Richtlinien und Gesetzgebungen. Die Folge, stark vereinfacht ausgedrückt: Auf der einen Seite stehen Fans unbehandelter, ungesüßter Rums mit klaren Altersangaben nach Whisky-Vorbild, auf der anderen Seite stehen die Freunde unkompliziert-süßen Genusses, die sich auch nicht an Zucker in ihrem Melasse-Schnaps stören möchten – im Gegenteil. Der Ron Espero XO Extra Anejo könnte geschmacklich auf beiden Seiten Freunde finden. Auch wenn die Sache mit seinem Alter erstmal Fragen aufwirft.
Die Flasche für dieses Tasting wurden uns von Haromex, dem deutschen Vertrieb des Ron Espero Extra Anejo XO zur Verfügung gestellt, Bedingungen gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Die Story hinter Ron Espero Extra Anejo XO
Der Ron Espero ist ein Produkt mit einem sehr offensiven Marketing, was Rum-Kenner schnell mal stutzig macht. Das fängt beim Namen an: Extra Anejo und XO mögen in anderen Kategorien als Auszeichnung klar definiert sein, beim Rum sind sie es nicht: Ein Tequila muss etwa mindestens drei Jahre reifen, bevor er sich Extra Anejo nennen darf, ein Cognac erhält ab sechs Jahren Durchschnittsalter das Prädikat XO. Bei Rum sind beide Ausdrücke erstmal nur Werbung. Zum Glück ist Ron Espero auf der offiziellen Webseite auskunftsfreudiger als auf der Flasche:
Der Extra Anejo XO ist ein mehrstufiger Blend mit Rums, die zwischen 6 und 18 Jahren alt sind. Die Basis bildet ein Dominikanischer Rum, der 12- bis 18jährige Rums in einer Solera vermählt, der daraus entstehende Rum wiederum wird zu unbekannten Teilen mit einem Blend aus 6- bis 12jährigen Rum-Sorten aus Barbados, Jamaica, Trinidad und Guyana geblendet. Dieses Blending findet auf Costa Rica statt – und aus irgendeinem Grund soll auch das laut offiziellem Text noch einmal die Qualität des Rums steigern.
Über die Hintergrund-Story des Rums ist ansonsten nicht viel bekannt, außer dass der Name wohl auf Vasco Núnez de Balboa zurückgeht – ein spanischer Abenteurer, der unter anderem auch in der Heimat des Espero, der Dominikanischen Republic unterwegs war. „Espero“ ist dann auch ein altes, spanisches Dialekt-Wort für „Hoffnung“, und unter diesem Label hat die Marke auch noch diverse andere Rums im Angebot; derzeit drei weitere, jüngere Solera-Dominikaner und vier aromatisierte Rum-Liköre. Der Extra Anejo XO ist der exklusivste der Reihe – aber schmeckt man das auch?
So schmeckt der Rum
Der Espero schimmert rotbraun im Glas und schwenkt sich ölig. Seine Schlieren sind klar und ziehen eine ganze Armada zähflüssiger Nasen. Sein Aroma ist zunächst klar süßlich: Karamell und Honig riechen wir, dazu ein wenig tropische Frucht. Nach einer Weile gesellen sich Nüsse dazu, vornehmlich Mandeln, und ein Hauch von Vanille. Lässt man in noch etwas länger stehen, nimmt man auch Eichenfässer wahr und einen leichten Anklang von Rauch, insgesamt bleibt sein Duft aber leicht und hell.
Nase: Karamell, Honig, Nüsse, Vanille, Eiche, Rauch
Mund: Karamell, Honig, Trauben, Schokolade, Kaffee, Kokos
Leicht und frisch kommt der Ron Espero auch auf der Zunge an, so ganz anders, als man es dem Geruch nach erwartet. In der Folge fällt das Mundgefühl allerdings ein wenig wässrig aus. Der Geschmack ist dafür wohlgemerkt eine positive Überraschung: Nicht zu zuckrig, aber mit merklicher Süße prallt der Rum auf der Zunge auf, breitet als erstes wieder Karamell und Honig aus. Leichte Bitternoten, kombiniert mit Trauben und etwas Schokolade kommen nach, im Abgang bleibt ein wenig Kaffee. Im zweiten und dritten Schluck findet sich eine schöne Kokosnote, die lange nachhallt.
Ron Espero Extra Anejo XO pur und in Cocktails
Der Espero ist geschmacklich ein schönes Mittelding zwischen beliebten Zuckerbomben wie Zacapa und Botucal und herberen Rum-Stilen. Ja, er ist süß, aber es stellt sich kein „Ich saufe mir gerade eine Diabetes an!“-Gefühl ein. Darüberhinaus ist er ausnehmend mild, hat nur einen leicht pfeffrigen Einschlag, aber keinerlei störendes Brennen. Sprich: Wer gerne unkomplizierten, angenehm süßen Rum trinkt, ist hier an der richtigen Adresse. So ganz privat sind wir jedoch eher auf der trockenen Rum-Seite zu Hause – weshalb wir uns den Extra Anejo XO zunächst mal ausgiebig in die Cocktail-Küche holen.
In Tiki-Cocktails wie einem Mai Tai geht er durch seine recht milde Aromatik etwas unter, also setzen wir auf Shortdrinks: Einem Rum Old Fashioned verleiht er Eleganz, ohne allzu erwachsen zu wirken, durch seine Balance aus Süße und Trockenheit könnte er sowohl Fans komplexer Rums als auch Süßrum-Freunde überzeugen. Im El Presidente macht er eine ziemlich gute Figur, überraschenderweise betont dieser Cocktail vor allem seine Kokosnote. Und genau die ist es dann auch, die uns auf die Idee zu einem Tiki-Drink mit Ananas-Beteiligung bringt.
Das Rezept für den Island of Sage
- 4 cl Ron Espero Extra Anejo XO
- 2 cl Rhum Agricole
- 5 cl Ananas-Salbei-Shrub
- 2 Dashes Hellfire Shrub (oder ähnliche Chili-Bitters)
- Ginger Beer
Alle Zutaten außer dem Ginger Beer auf Eis shaken und in einen Tiki-Becher mit Crushed Ice abseihen. Mit Salbei garnieren. Trinken.
Ein Rezept für den Shrub gibt es zum Beispiel hier. Auch, wenn der Espero nicht ganz so intensiv ist, der leichte Hauch von Kokos und Karamell, den er auch in diesem scharfen Tiki-Drink behält, passt unerwartet gut zur bananigen Fruchtigkeit des Agricole, dem sehr speziellen Essig-Sirup und dem Ingwer. Die Bitters sorgen für ein leichtes Nachbrennen, das ihm einfach ein bisschen mehr vulkanischen Spaß verleiht.
Ron Espero Extra Anejo XO gibt es zum Beispiel bei Rum-Paradise.de.
Fazit: Wer seinen Rum komplex und trocken mag ist hier fehl am Platz – trotzdem ist der Espero keine übersüßte Zuckerbombe. Als Rum der goldenen Mitte ist er allerdings eine gute Cocktail-Basis für alle, die Rum-ungeübte Gäste nicht überfordern wollen, ohne sie zu langweilen.
Daten: 40 Prozent, Dominikanische Republik, 0,7 Liter, um 45 Euro
Der Deutsche Vertrieb des Ron Espero, die Haromex Development GmbH , hat uns eine Flasche des Rums für redaktionelle Zwecke zur Verfügung gestellt, danach aber weder auf Art noch Umfang eventueller Artikel, noch das Tasting Einfluss zu nehmen versucht. Wir sagen Danke für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit.
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