Ein Glencairn-Glas, die vermutlich meistgenutzte Variante von Nosing-Gläsern.

Nosing-Glas & Tasting-Glas erklärt

Wenn man begriffen hat, dass ein Tumbler  zumindest aromatisch nicht ganz die richtige Gläser-Wahl für einen guten Whisky ist, fühlt man sich auf einen Schlag wie der Connoisseur vor dem Herrn: Man trinkt jetzt nicht mehr aus dem runden Zylinderglas voller Eis, man genießt jetzt pur aus dem tulpenförmigen Nosing-Glas. Aber aus was für einem? Tut’s ein klassisches Obstler-Glas? Nimmt man einen Cognacschwenker? Brauche ich für schottische Whiskys unbedingt ein Glencairn-Glas? Darf ich aus denen auch Bourbon trinken oder holt mich dann die Whisky-Polizeii? Hilfe!

Was macht ein Nosing- oder Tasting-Glas aus?

Nehmen wir erstmal den Druck raus: Prinzipiell kann man beim Genießen einer guten, puren Spirituose gar nicht viel falsch machen. Erlaubt ist, was Spaß machen. Aber wenn man wirklich jede Nuance eines guten Tropfens erleben will, kann man sich die “Arbeit” erheblich erleichtern. Genau das tut ein Nosing-Glas und da ist auch erstmal egal welches: Es hilft, die Aromen einer Flüssigkeit zu bündeln und zur Nase zu transportieren, daher kommt der Name. Infolge dessen riecht man den Whisky, Cognac oder jede andere Spirituose besser, er wird intensiver. Weil rund 80 bis 90 Prozent unseres Geschmacksempfindens gar nicht von der Zunge bestimmt werden, sondern von der Nase, verbessert das auch das Erlebnis am Gaumen enorm. Daher auch der alternative Namen “Tasting-Glas”.

Wie aber genau tut das Nosing-Glas das? Zum einen hat es, genau wie ein Cognacschwenker oft einen recht breiten Bauch. Es bietet der Spirituose also erst einmal viel Oberfläche, um Aromen nach oben zu verdampfen. “Das tut ein Double Old Fashioned Glas aber auch!” könntet ihr jetzt gegenhalten und hättet Recht. Der Unterschied: Ein Nosing-Glas läuft nach obenhin zu, es verjüngt sich. Das sorgt dafür, dass mehr Aromen im Glas bleiben, sie sind nicht mehr so flüchtig. Haltet ihr jetzt eure Nase hinein, werdet ihr je nach Schnaps darin ein deutliches Aromenplus im Vergleich zur Verkostung in einem “normalen” Glas wahrnehmen.

Nosing-Gläser aus der Perfect Serve Collection von Spiegelau, gefüllt mit einem Obstbrand und einem Whisky.
Nosing-Gläser aus der Perfect Serve Collection von Spiegelau, gefüllt mit einem Obstbrand und einem Whisky.

Worauf achte ich bei einem Nosing-Glas?

Grundsätzlich lassen sich bei Tasting-Gläsern viele Philosophien aus der Weinwelt übernehmen. In der ist die Frage nach dem richtigen Glas zum richtigen Wein eine eigene, kleine Wissenschaft. Wichtig ist in jedem Fall immer: Nehmt möglichst dünnwandige Gläser. Zum einen lässt sich aus diesen schöner trinken, zum anderen beeinflussen die von sich aus weniger die Temperatur eurer Spirituosen. Das ist sogar noch wichtiger, wenn ihr gekühlte Dinge verkostet, was allerdings zugegeben eher selten passiert.

Über die Öffnung des Glases und wie sie den Geschmack eines Getränks beeinflusst, wird viel diskutiert: wie muss der Glasrand geformt sein, damit eine Flüssigkeit beim Trinken auf der Zunge aufkommt, sowas. Wenig davon ist tatsächlich belegt. Im Buch “Der Master-Weinguide” schreibt Madeline Pucket grob übersetzt: “Größere Öffnungen betonen eher blumige Aromen, kleinere die Frucht- und Gewürz-Aromen” und in diversen Selbsttests stimmt das zumindest für uns. Wichtig ist zu wissen, dass eine schlanke Öffnung vor allem beeinflusst, wie stark die Aromen für eure Nase konzentriert werden.

Apropos Aromenkonzentration: Je breiter der Bauch eines Tasting-Glases, desto stärker verdunstet die Spirituose, die ihr verkosten wollt und desto mehr Aromen werden freigesetzt. Wer sich einen High Ester-Rum ins Glas kippt kann dadurch bei besonders breiten Gläsern schnell mal olfaktorisch überfordert werden. Gerade für diese besonders intensiven Destillate empfiehlt sich ein eher schlankes Nosing-Glas mit kleinem Bauch – wie ein Glencairn.

Sonderfall Glencairn-Glas

Speziell für Whisky hat sich das Glencairn-Glas als Nosing-Glas durchgesetzt. Ein Glas ohne Stil, das von der schottischen Firma Glencairn Crystal in Zusammenarbeit mit schottischen Brennern entwickelt wurde. Auch wenn es heute zum Bild von schottischem Whisky und irischem Whiskey dazugehört: produziert werden diese Gläser erst seit 2001. Obwohl sie optimal auf fassgelagerte Spirituosen zugeschnitten sind, haben sie keine geschmacklichen Vorteile gegenüber klassischen Nosing-Gläsern – sie haben nur einfach diesen ganz besonderen Whisky-Stil.

Oder halt, eigentlich ist genau das der Unterschied: Glencairns haben keinen Stiel – wer sie in der Hand hält, erwärmt die zu verkostende Spirituose automatisch. Gerade bei fassgereiften Destillaten ist das aber oft sogar gewollt, da durch die Wärme mehr Aromen freigesetzt werden. Übrigens muss diese fassgereifte Spirituose dann auch kein Whisky sein. Wir haben bei der Glencairn-Polizei angerufen, ihr dürft aus diesen Gläsern tatsächlich trinken, was immer ihr möchtet. Sachen gibt’s.

Welches ist das beste Nosing-Glas für mich?

Schwierig zu sagen, das hängt sehr stark davon ab, was man am liebsten und häufigsten trinkt und wie geschult der eigene Gaumen ist. Für den Einsteiger empfiehlt es sich jedenfalls nicht, 10 verschiedene Varianten einzukaufen. Ein Sechserpack Tasting- oder Glencairn-Gläser für die Whisky-Abende mit den Kumpels reicht im Normallfall für den Hausgebrauch vollkommen aus. Trotzdem macht es natürlich Spaß, ein- und dieselbe Spirituose aus unterschiedlichen Nosing-Gläsern zu probieren. Und wer weiß: Vielleicht entdeckt ihr dabei dann auch euer neues Lieblingsglas?

Wo finde ich die Gläser aus den Bildern oben?

(Mit einem * markierte Links sind Affiliate-Links aus dem Amazon-Partnerprogramm. Benutzt ihr diese für euren Einkauf, erhalten wir dafür eine kleine Provision.)


Das könnte euch auch gefallen


Nächster Post

Nick & Nora-Cocktailglas – die filigranere Coupette

Nächster Post

Martiniglas und Cocktailspitz: Woher stammen sie, welche Cocktails trinkt man daraus?