Was ist eigentlich … Mezcal?
Schnaps aus Mexico gleich Tequila. Manchmal ist im Tequila ein Wurm und wenn man den Tequila mit Zitrone und Salz trinkt, schmeckt er besser. In den meisten menschlichen Gehirnarealen, die für mexikanische Spirituosen reserviert, stehen genau diese Dinge an den Wänden. Tatsächlich sieht die Sache aber so aus: Tequila ist nur eine Untergruppe einer extrem komplexen Spirituosensorte namens Mezcal. Guter Mezcal wird in Handarbeit in kleinen Chargen hergestellt und hat kein rotes Hütchen auf der Flasche sondern spannende Aromen in der Flasche. Und wenn du einen Wurm, eine Zitrone oder Salz zum Glas kriegst, dann hast du gerade alles bestellt – nur keinen guten Mezcal. Aber der Reihe nach.
Agaven sind zum trinken da!
Mezcal ist eigentlich nur das aztekische Wort für Schnaps, dass sich im mexikanischen Sprachgebrauch eben für die örtliche Lieblings-Spirituose festgebissen hat. Dass die aus Agaven gebrannt wird, hat einen simplen Grund: die wachsen in Mexico überall, die sind eben da. Essen kann man die Blätter und Blütenknospen zwar, aber als Delikatesse gilt das eher nicht. Aus einem ganz ähnlichen Grund wurde früher übrigens hauptsächlich Roggen zu Bier und Schnaps verarbeitet. Wohlgemerkt ist ein Mezcal auch nur dann ein Mezcal, wenn er in Mexico hergestellt wird – die Bezeichnung ist regional geschützt.
Weil man zur Herstellung von Mezcal nur den dicken, fetten Strunk in der Mitte, das Agavenherz, braucht, braut man aus dem Saft der Pflanze Pulque – eine Art milchiges Bier mit 4 bis 6 Volumenprozent Alkohol. Im Prinzip füllt die Agave damit quasi im Alleingang die Gläser der Mexikaner – und natürlich auch die der Tequila- und Mezcal-Freunde auf der ganzen Welt. Genau da liegt aber das Problem: Bevor man aus einer Agave Schnaps machen kann, muss sie sechs bis zehn Jahre wachsen – das führt mitunter zu Nachschub-Problemen, wie man sie von Getreide-Spirituosen nicht kennt. Und die wiederum führen vor allem bei einer ganz bestimmten Mezcal-Sorte zu Qualitätseinbußen.
Mezcal vs. Tequila
Gemeint ist der Tequila. Der ist einer der wichtigsten Exporte Mexicos – diese Unterart des Mezcals hat sich deutlich schneller und weiter über die Welt verbreitet als alle übrigen. Den Ursprung hat das wohl in der Stadt Tequila, die als Touristenziel auch heute noch viel Geld mit der Produktion der nach ihr benannten Spirituose verdient. Nur hier im Bundesstaat Jalisco und vier weiteren Staaten darf Tequila gebrannt werden und auch nur aus der blauen Agave – einer von insgesamt 400 Sorten.
Dass sich die Bekanntheit des Tequila und die Quasi-Unkenntnis von Mezcal in der Bevölkerung trotz dieser Einschränkungen so lange gehalten haben, liegt wohl hauptsächlich an der Industrialisierung und Professionalisierung der Herstellung: Während die meisten Mezcals auch heute noch handwerklich hergestellt werden, hat sich die Tequila-Produktion in vielen Bereichen quasi automatisiert. Das erklärt auch, warum man teils extrem deutliche Unterschiede zwischen Tequila und Mezcal schmeckt. Aber wie wird er denn nun eigentlich produziert, dieser Mezcal?
Wie wird Mezcal hergestellt?
Für die traditionelle Mezcal-Produktion schnappt man sich einen Haufen Agaven und befreit sie von allen Blättern und Wurzeln bis man etwas vor sich hat, das aussieht wie eine gewaltige Ananas. Entsprechend heißt das Agavenherz dann auch Piña. Während für Tequila nur die Blaue Agave zugelassen ist, dürfen Mezcals aus knapp 100 Arten hergestellt werden. Die Piñapackt man jetzt genau so in eine Erdgrube voller heißer Steine und deckt den ganzen Spaß mit Agavenblättern und Erde ab. In diesem Erdloch wird das Agavenherz jetzt tagelang weichgekocht. Dabei nimmt es auch den Geschmack der Erde an und wird von feurigem Rauch durchdrungen. Weil die meisten Tequila-Piñas nicht in so ein Erdloch kommen, sondern in Drucköfen gekocht werden, fehlt ihnen oft die Aromenvielfalt und vor allem der Rauch eines Mezcals.
Egal ob handwerklich oder industriell gekocht: das Agavenherz wird an dieser Stelle zermahlen. Der Agavenmatschepampe wird noch etwas Hefe untergehoben und man hat eine Mezcal-Maische. Die wird nach einer Woche Fermentation zweimal gebrannt: Einmal mit und einmal ohne die übrigen Pflanzenfasern, die beim Mahlen nicht zerkleinert wurden. Danach wird der Mezcal mit Wasser auf Trinkstärke verdünnt, die beträgt mindestens 36 Volumenprozent, 42 bis 46 sind üblich.
Mixto vs. 100 Prozent Agave
Es hat einen Grund, dass Tequila in Deutschland so einen miserablen Ruf als Billig-Fusel hat: was wir aus den Supermärkten so kennen, das sind fast ausschließlich sogenannte Mixtos: Für die wird dem Agavenbrei vor dem Brennen noch Zucker oder teils sogar Mais beigemischt. Das würzige Agaven-Aroma bleibt auf der Strecke. Gerade mal 51 Prozent Agave muss in einer Spirituose sein, damit sie noch als Mezcal zählen darf – als Mixto-Mezcal. Wobei bei uns fast nur Mixto-Tequilas zu finden sind. Mezcal ist noch nicht so weit im Mainstream angekommen, als dass viele Leute gerne eine gepanschte Billig-Version davon in der Bar haben möchten. 100 Prozent-Agave-Tequilas gibt’s in brauchbaren Qualitäten für unter 20 Euro, inzwischen auch in Supermärkten – gebt euch also niemals mit einem Mixto zufrieden. Außer es ist euer geheimer Fetisch, Salz und Zitronen an Geschmacks-Agnostiker und Studenten zu verkaufen.
Mezcal nach Alter
Nicht nur der Agavenanteil sagt etwas darüber aus, was auf der Flasche eines Mezcals zu stehen hat. Auch für den Alterungsgrad gibt es spezielle spanische Bezeichnungen. Anders als etwa bei schottischen Whiskys sind Jahreszahlen bei Mezcal nicht üblich. Der Grund dafür liegt einfach darin, dass Mezcal in der Hitze Mexicos deutlich schneller reift als das schottische Lebenswasser in den windigen Highlands.
- Joven-Mezcal ist weiß und meistens gar nicht gelagert, theoretisch darf er aber bis zu zwei Monate im Holzfass reifen. Er ist fast immer klar und farblos. Bei Tequila nennt man diese Variante auch „blanco“.
- Reposado-Mezcal schimmert gelblich und hat eine Lagerdauer zwischen 2 und 12 Monaten hinter sich.
- Añejo-Mezcal lagert für wenigstens ein Jahr, bevor er in den Handel geht.
Noch ein Unterschied zu Whisky: viele Mezcal-Fans stehen eher auf die ungelagerten Varianten. Auf das rauhe rauchig-würzige im Agavenbrand. Zwar gibt es durchaus gute gelagerte Mezcals und Tequilas, das Holz fördert aber oft ein eher süßliches Aromenspiel zu Tage, das nicht immer ganz zur Agave passen mag.
Mezcal nach Regionen
Als wäre „Aller Tequila ist Mezcal, aber nicht aller Mezcal Tequila“ nicht schon genug Verwirrung in einem Spirituosen-Umfeld, mit dem sich noch immer nur wenige ausgiebig beschäftigen, hat Mezcal noch diverse Unterkategorien, die sich hauptsächlich über die Region definieren, in der sie hergestellt wurden. Die liegen übrigens auch für Nicht-Tequila-Mezcals nicht einfach „irgendwo in Mexico“ – nur in acht mexikanischen Staaten insgesamt darf Mezcal überhaupt hergestellt werden. Das meiste davon passiert in der Gegen um die Stadt Oaxaca. Wer mehr über die verschiedenen Klassifizierungen und Regionen von Mezcal wissen will, der wirft einen Blick auf diesen Artikel über Mezcal-Kategorien von eyeforspirits.com.
Da ist der Wurm drin
Bleibt die Frage nach dem Wurm im Mezcal. Dadurch, dass der Agavenbrand hierzulande so stiefmütterlich behandelt wurde, ranken sich um die Agaven-Raupe im Mezcal gerade bei uns die absurdesten Gerüchte. Als der Autor dieses Artikels vor Jahren zum ersten Mal mit so einem eingelegten Vieh in Berührung kam, wurde ihm erklärt: „Daran erkennt man das gute Zeug!“
Das Gegenteil ist der Fall: Eingeführt wurde die Raupe in den 50ern von Jacobo Lozano Páez – als Marketing-Gag. Ist eine Agave von den Schmetterlingsraupen des befallen, schmeckt der Mezcal daraus einfach ein wenig anders. „Anders gleich besser!“ dachte sich Páez und packte den Wurm zum Beweis für die Andersartigkeit seiner Spirituosen mit in die Flasche. Auch, wenn es sicher auch hier Ausnahmen gibt: Wenn ihr euch Mezcal mit Wurm reinschüttet, dann könnt ihr ihn auch gleich mit einem Mixto-Tequila runterspülen.