Bolivien bietet nicht nur atemberaubende Aussichten, sondern auch spannende Spirituosen.

Was ist eigentlich … Singani?

„Wenn ein feiner Tequila und ein milder Pisco auf einem Bett aus Rosenblättern miteinander liebkosen würden, dann wäre das Liebeskind ein Singani’“

Weinbrände gibt es in Europa bereits zur Genüge. Cognac aus Frankreich, Grappa aus Italien oder Brandy de Jerez aus Spanien. Seit kurzer Zeit machen auch der Chilenische und Peruanische Piscos in Form eines klassischen Sour-Cocktails wieder vermehrt von sich reden. Aber es gibt auch Weinbrände, die es unberechtigterweise noch nicht über die Landesgrenzen hinweg geschafft haben. Singani, die Nationalspirituose Boliviens, ist eine davon.

Die Geschichte des Singanis

Wieso gibt es Weinbrand in Bolivien? Während der Kolonialisierung unter Francisco Pizarro hatten sich die Spanier in Potosi, einer Stadt im südlichen Zentralbolivien, niedergelassen. Nahe des Ortes hatte man große Silbervorkommen ausfindig gemacht. Folgends wurden die Bodenschätze abgetragen und schnell wuchs Potosi zur Kaiserstadt heran, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts sogar die reichste der Welt sein sollte.
Mittels Weinanbau bemühte man sich in Bolivien darum, den unermesslichen Durst nach Alkohol in der Region zu stillen. Da die Bedingungen für die Kultivierung im Altiplano nicht ideal waren, beschloss man, die Trauben von eher mittelprächtiger Qualität zu destillieren. Bis heute wird Singani in den Hochtälern von Potosi, aber vor allem in Los Cintis und in Tarija, im Süden Boliviens an der Grenze zu Argentinien, hergestellt.

Begriffsherkunft: warum heißt der so?

Linguisten zufolge stammt der Name Singani von dem Wort Siwingani der einheimischen Aymara. Der Begriff setzt sich zusammen auf den Worten Siwinga (dt. Segge, Antillenpflanze aus den Anden) sowie dem Suffix -ni (Bedeutung, der Ort von). Sinngemäß lässt sich Singani übersetzen als der Ort, an dem Seggen wachsen. Mit der Einführung der Bezeichnung versuchte man sich vor allem von anderen Lateinamerikanischen Spirituosen, zu der Zeit allesamt Aguardiente genannt, abzugrenzen, um sich so für den landesweiten Handel besser aufzustellen.

So wird Singani hergestellt

Im Vergleich mit dem benachbarten Pisco aus Peru gibt es einige Ähnlichkeiten. Im Bezug auf Herkunftsort und Produktion sind beide vergleichsweise streng reglementiert. Nichtsdestotrotz gibt es auch wesentliche Unterschiede. Vor allem geschmacklich weisen beide Nationalspirituosen nur wenige Gemeinsamkeiten auf.

Rohstoff & Terroir

Singani wird im Gegensatz zu Pisco zu 100% aus der Muskatellertraube, auch als Muscat d’Alexandrie bekannt, hergestellt. Diese Rebsorte gilt unter Kennern als eine der aromatischsten der Welt. Aufgrund der Nähe zum Äquator ist das Einfrieren der Trauben während der Wintermonate im Grunde nicht möglich. Die Struktur der umliegenden Berggipfel schützt die Anbauregionen vor saisonalen Kaltfronten und Hagelstürmen, die die Pflanzen potentiell schädigen könnten.

Der Boden ist gut strukturiert, mit tiefem Ton und sandigem Lehm mit insgesamt guter Steigung und Durchlässigkeit. Die Bergluft ist kalt, trocken und die Sonneneinstrahlung intensiv. Aufgrund der Tatsache, dass Bergluft die Wärme Nachts nicht gut speichern kann, erleben die Weinreben dramatische Schwankungen der täglichen Lufttemperatur. Die oben genannten Bedingungen führen deshalb auch zu vergleichsweise geringen Erträgen. Dennoch, gemäß dem Menge-Güte-Gesetz aus dem Weinanbau sind somit sämtliche geschmacksbildenden Mineralien und Weinaromen auf einige wenige Trauben konzentriert und sorgen bei den Verbleibenden für Komplexität und Eleganz.

Fermentation, Destillation & Lagerung

In einem aufwändigen Prozess wird einmal im Jahr per Hand geerntet. Nach der darauffolgenden Pressung wird der Traubenmost bis zu 3 Wochen in Edelstahltanks fermentiert. Ziel der Fermentation ist es, neben der Alkoholgewinnung das charakteristische Aromaprofil zu erhalten oder gar zu optimieren. Die anschließende Destillation dient dazu, die Aromen entsprechend einzufangen, während gleichzeitig nahezu alle Fuselöle entfernt werden.

Beim Resultat dürfen sich die Brennmeister keine Fehler erlauben, da bei Singani, wie auch beim peruanischen Pisco, nicht mit Fasslagerung gearbeitet werden darf. Destilliert wird traditionell in einer Alambic Apparatur. Bei der 1-2-fachen Destillation wird der Weinbrand zunächst auf 71% Volumenprozent gebracht und anschließend auf Trinkstärke um rund 40% reduziert. Anschließend ruht das klare Destillat weitere 6 Monate in Edelstahltanks, um seinen Geschmack voll entfalten zu können.

DOC & Singani-Qualitäten

Das nationale Gesetz legt seit 1992 die Herkunftsbezeichnung (DO) für Singani und die geografische Angabe (GI) fest, in der die zugelassenen Produktionszonen aufgeführt sind. Das Oberste Dekret von 1999 kodifiziert mindestens 1.600 m für Höhenwein und bezieht sich auf die Förderung von Höhenweinen (Singani de Altura, Erläuterung siehe unten). Die gesetzlich festgelegten Zonen, in denen Singani produzieren werden darf, umfassen insgesamt vier der neun Departements in Boliviens. Dennoch sind nicht alle Gebiete dieser Provinzen gleichermaßen für den Weinbau geeignet. Im groben unterscheidet man bei Singani zwischen folgenden drei Arten:

  • Gran Singani / Singani de Altura – Hergestellt aus Muscat d’Alexandrie Trauben, auf einer Mindesthöhe von 1.600 m. Gelesen wird in der Regel unter 3.000 m. Die darauffolgenden Produktionschritte müssen in einer der Regionen mit kontrollierter Ursprungsbezeichnung stattfinden. Singanis dieser Art gelten als besonders hochwertig und konnten sich in den vergangenen Jahren bei zahlreichen Spirituosenwettbewerben gegen die Konkurrenz behaupten.
  • Singani erster Wahl – Hergestellt aus dem Most einer der zugelassenen Regionen
  • Singani zweiter Wahl – Hergestellt aus dem Trester (ähnlich wie bei italienischem Grappa)

Singani-Hersteller & Marken

Neben einer Vielzahl kleinerer und mittelgroßer Hersteller gibt es einige Platzhirsche, die den größten Anteil an Singani im Land für sich behaupten. Allein diese drei Giganten wären in der Lage, das gesamte Land zu beliefern. Mittlere Produzenten decken in der Regel eine bestimmte Region ab, während kleinere Firmen sich auf sehr lokale Märkte spezialisiert haben. SAIV ist einer der größten Produzenten Boliviens mit der Marke Casa Real. Das familiengeführte Unternehmen Kuhlmann destilliert zwei Linien von Singani, Los Parrales und Tres Estrellas. Ein börsennotiertes Unternehmen, La Concepción, produziert die Marke Rujero.

Im Jahr 2004 produzierte die Industrie über 4 Millionen Flaschen. Die Singani-Volumen werden jedoch aus zwei Gründen in Maßen gehalten. Zum einen weil noch keine Nachfrage außerhalb des heimischen Marktes besteht und zum anderen, weil die geeignete Fläche im Land schlichtweg begrenzt ist. Das Singani-Gebiet umfasst gerade einmal um die 20.000 Hektar gebirgiges Terrain. Verglichen mit etwa 220.000 Hektar für Cognac und 83.000 Hektar für Champagner ist die Singani-Industrie ein Zwerg in der internationalen Spirituosenwelt.

Singani-Cocktails

Chuflay

Ist sowohl bei Bolivianern, als auch bei Touristen ein besonders beliebter Drink. Man könnte ihn auch Singani Mule nennen. Denn neben, natürlich, Singani, wird er mit Ginger Ale, 7 Up oder Sprite gemischt. Das Ganze krönt man zum Abschluss noch mit einer Limettenscheibe. Der Ursprung des beliebtesten Cocktails Boliviens ist nicht ganz geklärt, aber es gibt dazu schlüssige Theorien. Im frühen 19. Jahrhundert waren britische Ingenieure für den Ausbau des Schienennetzes in den Anden stationiert. Gin und Ginger Ale war zu der Zeit bereits eine beliebte Kombination. Die Gastarbeiter passten sich den lokalen Gegebenheiten an und benutzt stattdessen die lokal beliebte Spirituose. Es gibt außerdem einen Fakt, der die Theorie zu bestätigen scheint: Ein shoofly (span. Chuflay) ist ein aus der Eisenbahnbranche bekannter Fachbegriff und beschreibt ein äußerst holpriges Terrain.

Sucumbé

Dieser Cocktail soll innerhalb der kleinen afro-bolivianischen Gemeinschaft entstanden sein. Während des 16. Jahrhunderts wurden Hunderttausende afrikanischer Sklaven nach Potosí gebracht, um in den Silberminen zu arbeiten. Um der brutalen Kälte der Region entgegenzuwirken, verhalf man sich mit einer Kombination aus heißer Milch und Alkohol. Der Ursprung des Namens Sucumbé ist unbekannt, könnte jedoch mit Cumbé in Verbindung gebracht werden, ein umgangssprachliches Wort für betrunken unter der afrikanischstämmigen Bevölkerung aus der Dominikanischen Republik. Sucumbé besteht aus Singani, Milch, Ei und Zimt – eine Mixtur, die sehr an Eierlikör erinnert.

Yungueno / Yungenito

Dieser Cocktail ist eine schmackhafte, tropische Mischung aus Singani, einfachem Sirup und Orangensaft. Der Name bezieht sich auf die Yungas, einer Region mit warmen-feuchten Tälern entlang der östlichen Gebirgshänge der Anden. Dieses Gebiet ist hauptsächlich von Afro-Bolivianern bewohnt, die als Erfinder des Yungueño-Cocktails gelten.

Autor: Rauschrebellen


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