Was ist eigentlich … Genever?
Genever ist eine Wacholder-Spirituose und der Urvater des britischen Gins. Er stammt ursprünglich aus den Niederlanden, wird aber geographisch geschützt auch in Belgien und einigen wenigen Teilen Deutschlands und Frankreichs hergestellt. Von dem Wacholderschnaps hat wahrscheinlich jeder schon mal gehört, der sich ein wenig intensiver mit Spirituosen und Cocktails befasst – so richtig was vorstellen unter „Vorläufer von Gin“ kann sich aber dann doch kaum jemand, der nicht wenigstens einmal probiert hat.
Und weil der Genever – oder im Original: Jenever – dann auch noch so viele Unterkategorien hat, gibt es zu dem Thema Fragen über Fragen. Ist das Verhältnis von Genever zu Gin wie das von schottischem Whisky zu Bourbon Whiskey? Oder eher wie das von Korn zu Wodka? Wenn ich Gin mag, mag ich dann auch Genever? Muss ich nach Holland fahren, um den zu trinken? Dieser Artikel kann sicher nicht alle Genever-Fragen beantworten – aber hoffentlich ein paar.
Was genau ist Genever?
Die Herstellung von Genever ist vergleichsweise kompliziert, weil er eigentlich ein Blend vollkommen unterschiedlicher Brände ist. Zunächst brennt man ein Destillat aus Gersten- oder Roggenmalz, selten auch aus Mais oder Weizen. Was man hier herausbekommt, ist im Wesentlichen ungelagerter Whisky und nennt sich Malt Wine. Zur Entstehungszeit des Genever Ende des 16. Jahrhunderts aromatisierte man die Suppe jetzt mit Kräutern – allen voran dem definierenden Wacholder, der dem Destillat auch seinen Namen verleiht: Jenever ist das niederländische Wort für Wacholder. Die Panscherei hatte zunächst wenig damit zu tun, das Wacholder so lecker wäre – man aromatisierte den Schnaps, weil der damals auf diese Weise destillierte Malt Wine aufgrund schlechter Ausgangsprodukte und wenig ausgefeilter Technik schlicht kaum trinkbar war.
Erst um 1900 begann man zunächst als Ergebnis neuer technischer Errungenschaften, den Brand nicht direkt zu aromatisieren, sondern ihn mit einem Destillat aus Neutralalkohol, Wacholder und weiteren Kräutern zu mischen. Mal abgesehen von diversen technischen Feinheiten ist dieses Destillat – ihr habt’s vielleicht erraten – im Wesentlichen Gin. Genever dieser Sorte nennt man auch heute noch Young Genever – der traditionelle war von dieser Zeit an als Old Genever bekannt.
Als Getreide für die Herstellung von Spirituosen im Zweiten Weltkrieg zur Neige ging, wurde die neue Herstellungsweise präsenter – sie war schlicht günstiger. Für den Neutralalkohol-Anteil verwendete man jetzt in den meisten Fällen Melasse aus der Zuckerrübenproduktion, womit der Genever eigentlich in die Kategorie Rum fiel. Nach dem Krieg blieb der Young Genever lange Zeit dominant. Als wäre das jetzt nicht schon alles kompliziert genug, kamen von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an nach und nach an ein gutes Dutzend verschiedener Genever-Kategorien zusammen, die sich im Wesentlichen nach der Menge des verwendeten Malt Wines, dem Alter und der Herkunft definieren. Wichtig sind für Genever-Einsteiger zum Glück erstmal nur die drei grundlegenden:
Die verschiedenen Sorten von Genever
Wer Genever kaufen möchte, wird oft mit den Begriffen „Old Genever“ und „Joung Genever“ konfrontiert und muss dann erschrocken feststellen, dass das nichts mit dem tatsächlichen Alter des Destillats zu tun hat. Aber immer der Reihe nach.
- Young Genever (Jonge Jenever) bezeichnet die jüngere Sorte Genever, sprich diejenige, die mit viel Neutralalkohol vermischt wurde. Ein solcher Genever darf höchstens noch 15 Prozent Malt Wine enthalten und nicht mehr als 10 Gramm Zucker pro Liter. Geschmacklich liegt er näher an Wodka als an Dry Gin, was ihn für Cocktails eher uninteressant macht (weil er teurer ist als Wodka).
- Old Genever (Oude Jenever) bezeichnet zwar eigentlich den klassischen Genever, das Label darf sich allerdings jeder Genever geben, der mindestens 15 Prozent Malt Wine in der Mischung hat und nicht mehr als 20 Gramm Zucker pro Liter. Der ist geschmacklich dann doch dem Whisky näher als dem Wodka.
- Corn Wine Genever (Korenwjin) ist der Name für den harten Stoff: Wenigstens 51 Prozent Malt Wine müssen in die Flasche, damit sich ein Genever dieses Label geben darf. Oft wird er noch in Eichenfässern gelagert. Damit ist er sehr nahe am Original und noch näher an Whisky als der Old Genever.
Daneben gibt es eine Reihe bekannterer lokaler Benennungen, die in den meisten Fällen an einige wenige Herstellungsregionen gekoppelt sind, etwa der Ostfriesische Korngenver oder der O’de Flander real East-Flemish grain genever, der nur im belgischen Flandern hergestellt werden darf.
Wie entstand aus Genever Gin?
Man könnte meinen, die Briten hätten sich speziell die Nummer mit dem Neutralalkohol abgeschaut, als sie den Gin erfunden haben. Tatsächlich haben aber schon im 17. Jahrhundert die Niederländer selbst den damals noch ursprünglichen Genever noch London gebracht, wo ihn die Engländer dann ganz einfach kopierten, indem Sie selbst Schnaps brannten, der mit Wacholder mazeriert und erneut destilliert wurde. Der Dreißigjährige Krieg befeuerte die Verbreitung des Gin-Vorläufers unter den Briten, damals waren viele Engländer in den Niederlanden stationiert. Viele von ihnen bewunderten den Kampfgeist der vom Genever angestachelten Holländer – hier entstand auch der Begriff “Dutch Courage”, zu Deutsch: Der Mut der Niederländer. Gemeint ist damit der Genever selbst.
Von diesem Zeitpunkt an entwickelten sich beide Spirituosen unabhängig voneinander. In den Niederlanden erfolgten die Entwicklungen um Jonge Jenever und Oude Jenever, während die Briten mit dem etwas weniger komplizierten Gin im Gepäck eine Weltmacht aufbauten, und ihn später sogar in ein Malaria-Mittel namens Tonic Water kippten, um den bitteren Geschmack zu übertünchen. Beiden Spirituosen auch heute noch gemein: Ist kein Wacholder drin, ist es weder Gin noch Genever – sondern einfach nur ein aromatisierter Getreidebrand.
Genever im Jahr 2017
Der Genever war über Jahrzehnte hinweg praktisch uninteressant für die Bar- und Cocktail-Landschaft und kam erst in den letzten Jahren wieder langsam ans Licht: als interessante Alternative zum Gin, an dem sich doch alle längst sattgesoffen hatten. Er ist ähnlich, aber anders und meist süßer, damit lassen sich in den Händen eines versierten Bartenders wunderbare Dinge anstellen. Das haben auch die Hersteller selber erkannt, weswegen immer mehr Genever-Marken den Weg in die gängigen Online-Läden finden.
Davor fristete er allerdings auch nicht unbedingt ein finsteres Schattendasein, in seinen Heimatregionen war und ist er nach wie vor recht beliebt. Ähnlich wie Aquavit im hohen Norden oder Bärwurz in Bayern war er eben lange ein lokales Phänomen. Eins, von dem wir froh sind, dass es sich langsam wieder den Weg in die breite Masse erkämpft.
Doof nur, dass man die richtigen guten Cachaças hierzulande nicht bekommt und wenn, dann zu absurden Preisen. 80 Euro aufwärts für sechs Jahre alten Spirituosen sind eine Hausnummer. Zugegeben: Kaum Abnehmer hierzulande und für den Zuckerrohrbauern muss sich die Sache auch rechnen. Aber der Preis bleibt zu heftig, um einfach mal ins Blaue zu probieren. Man kann nur hoffen, dass gute Bars langsam auf den Zug aufspringen und wir uns demnächst an der Theke mal durch gängige Premium-Cachaças trinken dürfen.