Cognacschwenker und Cognacgläser

Ein Cognacschwenker aus der Kollektion von Nachtmann Vivendi, gefüllt mit - na was wohl - Cognac.
Ein Cognacschwenker aus der Kollektion von Nachtmann Vivendi, gefüllt mit - na was wohl - Cognac.

Bevor Cognac etwas war, das man in Hip Hop-Videos über Frauen schüttete, trank man ihn in Salons. Leise, während man einen Smoking trug und nicht über Geld sprach. Man trank ihn dabei üblicherweise aus einem Cognacschwenker. Sie haben etwas erhabenes, diese bauchigen Glasmonster, etwas der Welt entrissenes und immer diesen Hauch von “In meiner Hand befindet sich ein kristallenes Gefäß mit 100 ml Flüssigkeit, die älter ist als du und soviel kostet, wie du im Monat verdienst. Ich bin etwas besonderes.” Was der Tumbler voller Whisky für Don Draper aus Mad Men, das ist der Cognacschwenker für den Monopoly-Mann.

Aber bleiben wir mal ernst: Cognacschwenker gibt’s in guten Qualitäten für um die fünf Euro. Guten Cognac ab um die 30 Euro, das Preisgefüge ist hier ähnlich wie beim Whisky, wenn auch gefühlt nach oben etwas weiter offen. Snobismus macht sicher Spaß, ist für bewussten Genuss aber eher optional. Der Schwenker eignet sich auch nicht nur für Cognac, sondern für praktisch alle Weinbrände, sprich Armagnac, deutsche Weinbrände oder spanischen Brandy. Deswegen spricht man auch vom Brandy Snifter oder Brandy Balloon.

Wieso sieht der Cognacschwenker so aus, wie er aussieht?

Die Form des Schwenkers ist immer rund, bauchig und nach oben verjüngt. Oft passt bis zu einem halben Liter hinein, wobei man diese Füllmenge niemals anpeilt – es geht darum, dem Weinbrand möglichst viel Fläche zu geben, damit die Aromen sich entfalten können, daher die bauchige Form. Dass das Glas nach oben hin zuläuft hat den Sinn, dass die Aromen im Glas bleiben sollen, statt einfach zu verdampfen. Die Nase trinkt schließlich mit. Das Prinzip ist dasselbe wie bei einem Nosing-Glas oder Glencairn-Gläsern, nur einfach größer und breiter. Das Einschenk-Volumen liegt im besten Fall so, dass man dem Weinbrand möglichst viel Raum gibt, ohne dass die Spirituose ausläuft, wenn man das Glas um 90 Grad kippt.

Diese enorme Größe ist keinesfalls nur Angeberei: Das Glas passt hervorragend in die Handfläche, das macht es leichter, den Cognac mit der Hand zu erwärmen. Das kennt man so auch von gutem Scotch, der bei ein, zwei Grad über Zimmertemperatur vor allem im Aroma noch mehr aus sich herauskommt. Bei Weinbrand geht das jedoch so weit, dass es spezielle Halterungen für Cognacschwenker gibt, in denen der Glas-Inhalt über einer Kerze erwärmt wird. Während wir bei der Sache mit der warmen Hand dabei sind, ist die Nummer mit der Kerze schwierig – wer nur an seinem Cognac riechen will, für den ist das sicher eine heiße Idee. Aber allzu warmer Weinbrand im Mund ist eher mittelprächtig.

Obendrein gelten besonders bauchige Gläser in der Weinwelt als hervorragend geeignet für Tanninreiche Weine wie Bordeaux. Da auch Cognac und andere fassgelagerte Spirituosen oft viele Tannine mitbringen, ist die Form des Cognacschwenkers wohl kein Zufall.

Die Alternativen: Cognacgläser, Cognactulpen, Tunip-Gläser

Der Trend beim Cognac geht in den letzten Jahren stark weg vom Cognacschwenker, hin zum Nosing-Glas. Oder, wenn man sich diesen letzten Rest Noblesse erhalten möchte, zum speziellen Cognacglas. Das ist deutlich kleiner als der Schwenker, aber immer noch runder und weiter als das typische Nosing-Glas. Spannend sind hier auch spezielle Cognac-Tulpen, die ihre breiteste Stelle sehr weit unten im Glas haben und dabei deutlich spitzer zulaufen als Cognacschwenker. Man bündelt ergo mehr Aroma und muss sich das Glas dafür auch nicht mehr so vollmachen, wie es beim klassischen Snifter der Fall ist. Dieses Mehr an Aroma wirkt sich dann auch auf den Geschmack aus. Auf welche Weise hängt aber zugegeben immer auch ein wenig vom verkosteten Destillat ab.

Die fehlende Fläche zum Erwärmen ist verschmerzbar, wenn man einfach nur zwei Minuten länger Zeit hat, das Glas in der Hand zu halten. Bleibt als Unterscheidungsmerkmal die Größe der Öffnung. Die bestimmt vor allem, wie konzentriert das Aroma eines Brandys ist, wenn es an unsere Nase gelangt. In der Praxis zeigt sich hier oft, dass die große Öffnung eines klassischen Schwenkers eher die blumigen Aromen, die kleinere Öffnung eines Glases dagegen eher fruchtige und würzige Aromen betont.

Was man Ende bevorzugt, hängt vom persönlichen Geschmack ab – in jedem Fall lohnt es sich häufig, eine gute Spirituose aus mehreren verschiedenen Gläsern zu verkosten.

Wo finde ich das Glas aus dem Bild oben?

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Johann

Cocktailbarts Archmage of Content bei Nacht, Familienvater & Texter bei Tag. Lieblings-Drink Martini, Lieblings-Spirituose trotzdem Rum. Wohnt in Franken, kommt aus der Oberpfalz (ist beides in Bayern, tschuldigung). Typischer Satz: "Meinste das wär geiler, wenn man Olivenlake reintut?"

2 Kommentare

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  • Ihr verwirrt mich etwas… Beim Nosing Glas schreibt ihr, dass der Whiskey durch die Verjüngung schneller fließt und dadurch weiter hinten auf der Zunge auftrifft. Hier schreibt ihr, dass dich die kleine Öffnung, Spitzer Mund der Brand auf die Zonenspitze kommt!?

    • Hallo Christoph – ich muss leider zugeben: wir verwirren uns auch selbst etwas. Beide Artikel sind knapp 3 Jahre alt und stammen aus unseren Cocktailbart-Anfangstagen mit noch deutlich weniger Erfahrung (auch in der Bewertung von angezapften Infoquellen in dem Bereich). Wir haben hier ein sehr, sehr nerdiges Thema einfach etwas zu weit und mit zu wenig Infos runtergebrochen.

      Den Weg, den ein Getränk je nach Glasform und -Dicke über die Zunge nimmt, vorherzusehen oder gar zu steuern ist gerade im Weinbereich ziemlich gut erforscht, aber eben auch teils sehr verwirrend niedergeschrieben (und aufgrund aktiven Eingreifens beim selber-testen teils schwierig nachzuvollziehen).

      Wir werden beide zeitnah – nach einer ausgiebigen Recherche – überarbeiten.