Italienische Bitterliköre sind im Trend – und damit meinen wir jetzt nicht die Aperol-Spritz-Manie, die seit mittlerweile einem Jahrzehnt zu toben schient und einfach nicht abreißt. Aber wer sich ein wenig mit Spirituosen beschäftigt kommt nicht umhin, auch das die anderen Schwelbrände bitterer Schnaps-Kultur zu sehen: Fernet Branca ist mit seiner #lifeisbitter-Kampagne allgegenwärtig, Campari dank der immer größeren Negroniweek so stark wie nie.
Die Flasche für dieses Tasting wurde uns von der Conalco Spirituosen UG zur Verfügung gestellt. Bedingungen gab es nicht, ausgenommen der transparenten Nennung des Unternehmens im Fall einer Veröffentlichung. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Wermut wird als einer der Kronprinzen für den Hipster-Schnaps-Thron des Gins gehandelt und trägt damit zum Bitter-Trend bei, ohne selbst im klassischen Sinne Bitterlikör zu sein (obwohl diverse italienische Wermuts die Anforderungen für die Kategorie absolut erfüllen). Eine Spirituose, die irgendwie jeder kennt und die plötzlich wieder spannend wird, so ganz ohne die üblichen Hype-Buttons zu drücken: Amaro Montenegro – der bitter-florale Likör trägt seinen Auftrag dabei sogar direkt im Namen.
Die Story hinter Amaro Montenegro
Amaro ist nichts anderes als das italienische Wort für “Bitter” und beschreibt gleichzeitig die gesamte Kategorie italienischer Kräuterliköre, zu der dann auch Fernet, Campari oder der Ramazotti gehören. Montenegro ist dabei schon seit 1855 im Geschäft, damals allerdings noch unter dem Namen Elisir Lungavita. Zu Deutsch: Elixier des Lebens. Erst nach etwa 11 Jahren änderte Gründer und Destillateur Stanislao Cobianchi den Namen zu Ehren der italienischen Prinzession Elena von Montenegro, Anlass war ihre damalige Hochzeit.
Das Rezept und die grundsätzliche Form Flasche mit Wiedererkennungswert blieben dabei allerdings gleich – vor allem das Rezept hat sich in den folgenden fast 165 Jahren nicht verändert. Zumindest ist das die offizielle Kommunikation – das Rezept ist geheim. Was man weiß: Über 40 Kräuter und Pflanzen aus vier Kontinenten sind in dem Kräuterbitter verarbeitet, darunter Koriander, Beifuß, Oregano, Majoran, verschiedene Orangen, Muskat, Zimt und Nelken.Über ein komplexes Verfahren werden diese Kräuter und Gewürze gekocht, mazeriert und destilliert. Das Ergebnis ist angesichts dieser wenigen bekannten Zutaten dann allerdings deutlich blumiger als erwartet:
So schmeckt der Kräuterbitter
Seine Farbe ist die von dunklem Mahagoni und er schwenkt sich schwer und cremig. Die Nase ist ausnehmend floral, mit Noten von Lavendel und Kirschblüten, aber gemixt mit einer immensen Schwere von Muscovado-Zucker und Bitterorangen. Lässt man ihn etwas stehen, kommen auch die mediterranen Noten mit heraus, Pinienzapfen sind da und Thymian, etwas Harz kommt dazu. Ein schwerer Duft, auf den man sich einlassen muss.
Nase: Lavendel, Kirschblüten, Muscovado-Zucker, Bitterorangen, Pinienzapfen, Thymian, Harz
Zunge: Rauch, Apfel, nasses Moos, Meeresluft, Holz, Piment
Im Mund ist er so schwer-ölig, wie er sich schwenkt. Süß kommt er auf der Zunge an, mit seinen intensiven floralen Noten von Lavendel, dazu aber sofort Noten von Zimt und Muskat. Hinterher kommen sofort frische Zitronen und bittersüße Orangen. Im Abgang zeigt sich der Koriander und eine Bitternote, die an Chinarinde erinnert. Eine wahnsinnig schöne Komplexität, auf die man sich pur aber durchaus einlassen muss.
Amaro Montenegro pur und in Cocktails
Der Montenegro ist uns pur einfach etwas zu heftig, wir sind wohlgemerkt aber auch keine klassischen Amaro-als-Aperitiv-Trinker aus der Ramazotti-mit-Zitrone-Fraktion. In Cocktails dagegen ist das Zeug eine spannende Bank, die durch die komplexen, bittersüßen Geschmäcker einen Cocktail wirklich aufwerten kann. Ein Negroni mit Montenegro statt Campari zum Beispiel verleiht dem Drink einen spannenden Twist und als Sour mit Zitrone und etwas Zucker macht das Teil auch ganz immensen Spaß. Um ihn kennenzulernen, empfehlen wir eine 1:1-Mischung mit Bourbon – die Kombi mit dem vanilligen Whiskey hebt die Aromen hervorragend hervor, zügelt aber die Bitterkeit und Floralität.
Wir verwenden den Amaro aber auch etwa in einem Paper Crane mit exotischem Ming River Baijiu, einem Hirseschnaps aus China. Das Rezept dazu gibt’s im Artikel zu ebendiesem, inklusive der Info, warum sich der fruchtige Baijiu und Montenegro so hervorragend ergänzen. Ein Drink, der uns im Zuge der Recherche besonders begeistert hat, ist der Air Montengro, der ihn mit kräutrigem Wermut und rauchig-kantigem Mezcal kombiniert – ein Traumtrio:
Air Montenegro (von Darwin Pornel)
- 6 cl Amaro Montengro
- 2,5 cl Mezcal
- 3 cl Trockener Wermut
Auf Eis shaken und in eine gekühlte Coupette abseihen. Mit einer Orangezeste (wir nehmen ein Blümchen, weil Blümchen) garnieren. Trinken.
Amaro Montenegro direkt bei Conalco kaufen!
Fazit: Amaro Montenegro ist der to-go-Amaro für bittere Drinks, die nach genau dieser Kategorie verlangen – komplex und eine sichere Bank. Durch die ausgeprägten floralen Noten werden Drinks damit aber durchweg blumig – das muss man mögen.
Daten: 23 Prozent, um 14 Euro für 0,7 Liter, Italien
Conalco hat uns eine Flasche des Produkts zur Verfügung gestellt, aber weder auf eventuelle Artikel noch auf das Tasting Einfluss genommen. Wir danken für die ausnehmend freundliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit.
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Ein interessanter Artikel über ein interessantes Produkt!
Besonders der Air Montenegro klingt wirklich sehr spannend!
Welchen Mezcal habt ihr dafür benutzt? Ich hab den Crema und den Chichicapa von Del Maguey und den San Cosme.
Habt ihr den Drink auch mal mit einem anderen, “gängigeren” Bitter versucht?
Hi Martin,
danke für dein Feedback! Für den Air Montenegro haben wir einen Espanto benutzt, den wir über das Team von Dr. Sours zum ausprobieren dahatten – meines Wissens ist er bis jetzt noch nicht in Deutschland zu haben. Von deinen Dreien würden ich den San Cosme nehmen, der Crema ist zu süß, der Chichicapa zwar toll, aber für diesen Drink etwas zu wenig rauchig und vielleicht auch zu filigran.
Probiert haben wir den Drink bisher nur mit Montenegro – aber andere Varianten stehen auf der To Do, das simple Grundrezept aus ziemlich mächtigen Aromen hat’s uns angetan.