Manche Gins setzen auf möglichst abgefahrene Botanicals, auf Beeren, Gewürze oder salzige Maronen und bauen den Wacholder nur noch als Alibi-Maßnahme ein. Andere Gins setzen auf Wacholder, der mit der brachialen Bitterkeit einer flüssigen Planierraupe die Geschmacksknospen überrollt (und nur damit das bei aller Polemik klar ist: in beiden Lagern leben Spirituosen, die wir lieben). Auffallen muss das eigene Destillat, um jeden Preis, wenn selbst der Edeka ums Eck 150 Gin-Sorten eingelistet hat. Was aber ist mit Gins, die einfach nur Gin sein wollen? Wacholder, mit Kraft aber ohne Urgewalten heraufzubeschwören, ausbalanciert, aber nicht langweilig. Haben die überhaupt noch einen Platz verdient im Regal und selbst wenn, gibt’s davon nicht schon genug?
Die Flasche für dieses Tasting wurde uns von Tender Spirits, dem deutschen Vertrieb von Hepple Gin zur Verfügung gestellt, Bedingungen an den Artikel gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Bei Moorlandspirits hat man sich all diese Fragen sicher auch gestellt und deswegen nicht einfach nur sein Ding durchgezogen; man hat nachgedacht, neu gedacht und mit dem Blick auf einen möglichst perfekten Martini-Gin den ganzen Herstellungs-Prozess infrage gestellt, dabei aber das angepeilte Endprodukt und die eingesetzten Botanicals so furzklassisch gelassen wie man nur in Großbritannien furzklassisch mit Gin umgehen kann. Aber fangen wir von vorne an: Wer ist eigentlich “man”?
Die Story hinter Hepple Gin
Hinter Hepple Gin steht die britische Moorland Spirits Co. – eine kleine Destille im Norden Englands, fast schon an der Grenze zu Schottland. Klingt jetzt nach großer Tradition und altem Gemäuer, ist aber eine hochmoderne Kleinstmanufaktur, für die sich fünf Herren zusammengeschlossen haben: Walter Riddel (verantwortlich für Nachhaltigkeit, vor allem im Bereich der nicht landwirtschaftlich kultivierten Wild-Botanicals), Valentine Warner (unterstützt bei Auswahl und Pairing von Botanicals), Chris Garden (Master Distiller), Nick Strangeway (ehemaliger Mixologist of the year, entwickelt neue Spirituosen für Moorland) und Cairbry Hill (Erfinder der Triple Technique).
An den Job-Beschreibungen sieht man schon: Moorland Spirits plant mehr als nur eine Spirituose (und hat mit Douglasfichten-Vodka auch schon eine zweite am Start, die derzeit aber noch nicht in Deutschland erhältlich ist). Aber der erste Schachzug des Teams, das war ein Gin mit ganz klarem Fokus auf Wacholder und mit dem charmant größenwahnsinnigen Ziel, perfekte Martinis daraus zu erschaffen. Benannt ist er nach dem kleinen Ort in der Nähe der Wildnis-Destille: Hepple. Für diesen Perfektion soll die eben erwähnte Triple Technique sorgen, mit der Hepple eben mehr werden soll als einfach nur Wacholder auf die Zwölf. Aber was kann man sich da drunter vorstellen?
Herstellung und Botanicals
Hepple Gin ist trotz seiner sehr klassischen Aromatik kein London Dry Gin, nicht einmal ein Dry Gin. Der Grund ist die sehr komplexe Herstellungsweise: Zunächst entsteht ein klassischer London Dry Gin aus den Botanicals Wacholder, Johannisbeere (Blätter und Beeren), Nadeln der Douglasfichte, Koriander, Fenchel (jeweils die Samen der beiden), Süßholzwurzel, Iris und Angelica – alles wird zusammen mazeriert und in der Pot Still gemeinsam destilliert. Jetzt wird’s kompliziert: Nach Art eines Dry Gin werden nun fünf weitere Einzel-Mazerate aus grünem, unreifem Wacholder, Douglas-Fichtennadeln, Blättern der schwarzen Johannisbeere, Liebtstöckel und Schalen der Amalfizitronen destilliert. Insgesamt hat man ergo nun sechs Destillate, die zu einem Dry Gin vermählt werden. Dazu kommt aber nun eine Zutat, die dem Gin paradoxerweise auch die Dry-Bezeichnung verwehrt: Nochmal Wacholder. Allerdings als Extrakt mittels “superkritischem CO2”.
Das funktioniert ungefähr so: Kohlendioxid wird in ein Wacholdermazerat geleitet und löst unter hohem Druck die Aromen heraus. Wird der Druck gesenkt, gibt das CO2 seinen spannenden Saft als Extrakt wieder ab. Quasi wie eine Art Kalt-Destillation. Das Gesamtergebnis ist dann ein wacholderbetonter Gin mit klarem britischen Charakter. Da viele der Botanicals wie die Fichtennadeln, Johannisbeerblätter und auch der grüne Wacholder selbst vor Ort angebaut und geerntet werden, ist der stolze Name “Hepple” dann auch deutlich mehr als schlichter Marketing-Lokalpatriotismus, sondern fast schon Statement. Aber wie schmeckt dieses Statement denn jetzt eigentlich?
So schmeckt Hepple Gin
Die Farbe ist – natürlich – klar und obwohl er sich für seine 45% recht leicht schwenkt, zieht er fette, langsame Schlieren am Glasrand. Der Duft ist wacholdrig-kräutrig, ohne zu erschlagen oder die anderen Aromen zu überlagern. Wir nehmen Orangen wahr und Äpfel, dazu frischgeriebene Zitronenschale. Trauben und ein Hauch Weißwein sind da, zusammen mit Fichtennadeln. Lässt man ihn eine Weile atmen, gesellt sich ein Hauch frische Gurke dazu.
Nase: Wacholder, Orangen, Äpfel, Zitronenschale, Trauben, Weißwein, Fichtennadeln, Gurke
Mund: Wacholder, Ingwer, Fichtensprossen, Harz, Zitrusschalen, Kardamom, Koriander, Zitrone, Apfel, Johannisbeere
Im Mund spielt wieder Wacholder ganz vorne mit, zusammen mit einer angenehmen Ingwer-Frische. Recht schnell zeigen sich Fichtensprossen und ein Hauch Harz, dazu kommen Zitrusschalen, Kardamom und auch ein Hauch Koriander. Im Abgang findet sich Zitrone und wieder der Apfel, der Nachgeschmack offenbart überraschenderweise merklich die Johannisbeere, die wir bisher nicht erschmeckt haben. Hepple bleibt angenehm lange auf der Zunge.
Hepple Gin pur und in Cocktails
Wer Gin pur trinkt, wird hier große Freude haben: Wacholder ist der Han Solo in diesem Star Wars von Gin, aber er lässt genug Screentime für Leia, Chewy und Luke. Das macht ihn zu einem sehr angenehmen Umtrunk, wenn man denn gerne Gin pur trinkt. Aber natürlich steht er auch in Cocktails seinen Mann; Gin Tonics kann er und im Test sind wir einer gewissen Süße nicht abgeneigt, Fever Tree und das normale Aqua Monaco funktionieren top, Schweppes Dry und Aqua Monaco Extra Dry geben einen etwas zu bitter-heftigen G&T. Ein Test mit Red Bull Organic, das in einer Facebook-Diskussion zum Hepple erwähnt wurde, fällt eher mittelspannend aus.
Generell: Wir vermixen den Hepple tatsächlich deutlich lieber in klassischen Cocktails, mit seiner kräftigen aber unaufdringlichen Wacholdernote wirkt er wie dafür gemacht. Allem voran stehen da natürlich die Martinis und da toben wir uns gewaltig aus: Im Valencia Martini mit Fino Sherry statt Wermut, im Dirty Martini mit Olivenlake, im Gibson mit Silberzwiebel und in unserem Highlight-Martini, dem Poet’s Dream, dem wir aus dem Barbuch Cocktail Codex entliehen haben (Rezept siehe unten). In Kombination mit Bitterlikören oder verstärkten Weinen und Bitters läuft dieser eh schon spannende Gin zur Hochform auf – ein Grund, weswegen wir im Zuge unserer Experimente eine kleine Twist-Variante des Twentieth Century erdachten. Warum das Ding aber Majestic Imperator heißt, erfahrt ihr auf Instagram.
Majestic Imperator | Cocktail-Rezept mit Gin
Der Majestic Imperator ist ein luxuriöser Cocktail, der den Hepple Gin mit seiner intensiven Wacholdernote und einer einzigartigen Mischung aus Kräutern, Zitrusaromen und Kakaobutter in den Mittelpunkt stellt. Diese Kombination…
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Fazit: Wacholderlastiger aber fein ausbalancierter Gin, der trotzdem fehlendem “Dry” im Namen deutlich mehr “London” als “New Western” in sich trägt. Macht hammergute Martinis jedweder Couleur.
Daten: England, um 43 Euro, 0,7 Liter, 45 Prozent
Tender Spirits hat uns eine Flasche des Hepple Gin für redaktionelle Zwecke zur Verfügung gestellt, danach aber weder auf Art noch Umfang eventueller Artikel, noch das Tasting Einfluss zu nehmen versucht. Wir sagen Danke für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit.