Eine Flasche Noilly Prat mit einem Martini-Cocktail.

Noilly Prat – der Urtyp eines trockenen französischen Wermut

Noilly Prat ist ein weißer, französischer Wermut. Allein diese Einführung könnte jetzt reichen, um einige hier schon direkt einzuschläfern, so unspannend ist Wermut für die meisten Whisky-, Gin– und Cocktail-Liebhaber da draußen. Noilly Prat ist aber ein kleines bisschen mehr als ein flüssiges Gewürz für die Fischsoße oder ein unauffälliger Filler. Er ist eine wuchtige Komposition aus Kräutern und Weißweinen, mit der man sich die geballte kulinarische Kraft Frankreichs in den Cocktail schütten kann. Man muss das Zeug nicht pur mögen – aber unterschätzen darf man es auch nicht.

Die Story hinter Noilly Prat

Den Wermut erfunden, das haben die Italiener, genauer gesagt Antonio Benedetto Carpano Ende des 18. Jahrhunderts. Anfang des 19. Jahrhunderts dann waren es die Franzosen Noilly und Prat, die das Getränk in ihrer Heimat bekannt machten, produzierten und schließlich noch vor den Italienern in die USA brachten. Dadurch wurde Noilly Prat im Heimatland der Cocktails lange Zeit zum führenden Wermut. Den Titel müsste zwar inzwischen Martini halten, zumindest unter den französischen Wermut-Sorten ist er aber bis heute federführend.

Apropos Martini: Das Unternehmen kaufte Noilly Prat in den 70er-Jahren auf, wurde später aber seinerseits von Bacardi geschluckt. Entsprechend ist die Chance enorm groß, dass ihr ein Bacardi-Produkt in Händen haltet, wenn ihr einen Wermut kauft, egal ob italienisch oder französisch. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir hier ein seelenloses Großkonzern-Produkt in der Flasche haben. Dafür sorgt der Ur-Ur-Enkel von Joseph Noilly, der das Unternehmen heute führt.

Hergestellt wird der Wermut aus Clairette und Pcpoul de Pinet, zwei Weinen aus der Heimatregion des Wermuts um Marseillan und Mistela, einem spanischen Likörwein. An Gewürzen kommen Kamille, Muskat, Bachblüten, Orangenschalen, natürlich Wermut und diverse andere dazu, dann lagert der Noilly Prat einige Zeit in Eichenfässern, darunter ein Jahr unter freiem Himmel, absolut unbedeckt. Klingt ja alles spannend – aber wie schmeckt das Zeug jetzt eigentlich?

So schmeckt Noilly Prat

Im Glas ist der Wermut hell und leicht, man merkt ihm seine Weißweinherkunft deutlich an. Vor weißem Hintergrund wirkt er fast bernsteinfarben. Beim Schwenken zieht er leichte Schlieren. Auch in der Nase merkt man den Weißwein wieder, aus der frisch geöffneten Flasche kommt er einem unglaublich intensiv entgegen. Sehr kräutrig, frisch, eine warme Zitrusnote, eher Orange als Zitrone, etwas Anis und Vanille. Daneben ist noch mehr, etwas florares, süßes, das wir erst nicht genau bestimmen können, das aber wohl die Kamille ist. Lässt man ihn eine Weile atmen, treten die herberen Noten in der Nase zu Tage, vor allem Eiche und Waldboden.

Nase: Kräuter, Orange, Anis, Vanille, Eiche, Kamille, Waldboden

Mund: Kamille, Blütenhonig, Kamille, Rosmarin, Holz, Wermut, Anis, Fenchel

Auch im Mund ist Noilly Prat irre präsent und wahnsinnig prägnat. Auch, wenn er als besonders trocken gilt, eröffnet er mit der blumigen Süße, die wir schon in der Nase hatten. Für einen kurzen Moment könnte es auch sein, dass wir kalten, mit Blütenhonig gesüßten Kamillentee trinken. Hinten am Gaumen offenbaren sich Rosmarin und andere Kräuter, ein herber Hauch von Holz und die unaufdringliche Bitterkeit des Wermuts. Im Nachgeschmack kommt klar die Eiche, der Anis und etwas herb-gemüsiges, das an Fenchel erinnert. Wie gesagt, man muss diesen Aromen-Mix nicht mögen. Aber langweilig geht halt mal ganz anders.

Noilly Prat in Cocktails

Wenn ihr einen Cocktail mit trockenem Wermut machen wollt, dann ist Noilly Prat die Empfehlung vieler Bartender – er ist einfach die klassischste und vielleicht auch intensivste Wahl. Andere greifen lieber zum Lillet Blanc, der zwar eigentlich gar kein Wermut ist, aber anschmiegsamer, weniger präsent im Drink daherkommt. Das ist toll, wenn ihr zum Beispiel im Martini den Fokus auf einen schüchternen aber vielschichtigen Gin setzen möchtet. Entsprechend übermann Noilly Prat aber auch schnell die feinen Wodka-Nuancen im Vodka Martini.  Aber wer Spannung im Glas will, der kombiniert Noilly Prat mit einer Aromabombe wie Professor Cornelius Ampleforth’s Bathtub Gin oder dem Niemand Gin und dann geht sie ab, die Luzi.

Abgesehen vom klassischen Martini und seinen Twists ist es dann allerdings auch eher der rote, süße Wermut, der in Cocktail-Rezepten zum Einsatz kommt, beispielsweise im Negroni oder dem Manhattan. Mixt ihr den stattdessen jedoch mit Dry Vermouth, erhaltet ihr einen Brooklyn – den wir persönlich sogar deutlich leckerer finden als das Original. Dass der Noilly Prat tatsächlich auch super zum Verfeinern von Soßen ist – klar, geschenkt. Aber das Hauptproblem ist schlicht und ergreifend folgendes:

Wer ihn nicht auch mal pur trinkt (oder sich ungesund viele Martinis mixt), der bleibt auf der Flasche meist sitzen – und spätestens nach drei Monaten mit offener Flasche ist der Noilly Prat selbst bei Kühlschranklagerung eher mäh. Nicht falsch verstehen: Schlecht wird er nicht so schnell. Aber er verliert seine Aroma-Superkraft und ist damit leider nur noch ein Schatten seiner selbst. Die einzige Lösung ist also: Martini-Party feiern. Kann man nicht oft genug machen.

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Fazit: Die Referenz für den Martini-Cocktail, pur ein Wahnsinnsgenuss – vorausgesetzt, man steht auf Wermut als Aperitif.

Daten: 18 Prozent, um 17 Euro für 1,0 Liter, Frankreich


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