Homebar-Einkaufsführer Tequila & Mezcal
Tequila ist die missverstandenste Spirituose überhaupt. Ungelogen: Jemandem einen Whiskey Sour mit Eiweiß anzudrehen, der diese cremige Köstlichkeit noch nie probiert hat, ist schwierig. Jemandem, der irgendwann in den 90ern und 2000ern mal auf einer Party war, zu erklären, dass Tequila derber Craft-Scheiß ist, der mit herausragend hochwertigen Cocktails frenetisch gefeiert werden muss – das ist ein richtig heftiger Profi-Auftrag.
Kann dran liegen, dass wir hier in Deutschland keinen Bezug haben zu diesen Agaven, diesen mystischen Pflanzen, die da 6 bis 30 Jahre in der mexikanischen Wüste vor sich hinwachsen, bevor sie zu einer Spirituose verarbeitet werden. Kann aber auch einfach dran liegen, dass ihr euer Lecken-Lutschen-Trinken-Trauma endlich mal überwinden müsst, wenn ihr eine vielseitige Homebar hochziehen wollt, die auch in Sachen Margarita, Paloma und Oaxaca Old Fashioned was zu melden hat.
Welche Tequilas und Mezcals brauche ich für meine Homebar?
Jetzt mal ohne Polemik: Ja, Agavenbrände – und genau das sind Tequila und Mezcal – haben nur sehr wenige als “klassisch” wahrgenommene Cocktails und nur eine kleine Auswahl von Drinks, die man wirklich kennen “muss”. Über die Margarita hinaus zählt da praktisch nichts zur Homebartender-Allgemeinbildung. Aber gut gemachte Agaven-Destillate sind anders, speziell, besonders und sie sind gut, kraftvoll und von unglaublicher Komplexität.
Wer wegen eines zweitägigen Katers 2008 nicht mal hinter die Flasche mit dem roten Hütchen späht, um herauszufinden, was da Großes lauert, der beraubt sich um genau die Erfahrungen, wegen derer man sich eine Homebar aufbaut. Und um ganzen Haufen abgefahrener moderner Cocktails wie den Five Point Palm Exploding Heart Technique. Traut euch.
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Tequila
Tequila wird ausschließlich aus der Blauen Weber Agave hergestellt und das in fünf verschiedenen Bundesstaaten Mexikos, größtenteils allerdings im Staat Jalisco, um die Stadt Tequila herum. Tequila ist vor allem in den USA ein Riesen-Trend und die Weber-Agave lässt sich kultivieren, entsprechend ist die Produktion einigermaßen stark industrialisiert. Weil die Agaven trotzdem um die sechs Jahre brauchen, bevor man sie ernten kann, wird ein großer Teil der Ernte inzwischen in Dampföfen gekocht oder mittels chemischer Diffusoren aufbereitet, um ein Maximum an Ertrag zu gewährleisten. Beim Kauf solltet ihr besonders auf die Aufschrift 100% Agave achten – ohne die darf der Tequila zu bis zu 49% aus Industriezucker oder sonstigem Unfug gebrannt werden.
Unterteilt wird Tequila nach Alter, von Blanco (ungereift), über Reposado (ab vier Monate Eichenfasslagerung), Anejo (ab einem Jahr) und Extra Anejo (ab drei Jahren). Klingt wenig, aber denkt dran, dass wir hier im heißen Mexico unterwegs sind, nicht im windigen Schottland. Begriffe wie “Gold” oder “Silber” vergesst ihr am besten ganz. Für die Homebar braucht ihr im Wesentlichen die kernig-kräftigen ungereiften Blanco für Margaritas und Palomas und einen Reposado für Buttermilch Margaritas oder Oaxaca Old Fashioneds.
Blanco-Empfehlungen
- Topanito Tequila 40%* (Würzig-agavig, dabei aber ausgesprochen mild und butterweich – wer mehr Power möchte, greift zur noch potenteren 50%-Variante) <- Preis-Leistungs-Sieger
- Mayaciel Tequila* (In der Optik eher moderner Tequila, setzt auf faire Bedingungen für die kleineren Produzenten vor Ort, geschmacklich gut ausbalanciert zwischen fruchtig, kräutrig und würzig)
- G4 Tequila Blanco (High-End-Tequila mit irre viel Power und ausgesprochen intensiven mineralischen Noten – vor allem für den Pur-Genuss spannend, macht aber auch Mörder-Margaritas)
Reposado-Empfehlungen
- Topanito Reposado Tequila* (Noch etwas milder als der Blanco, mit angenehmen Noten von Eichenholz und Vanille) <- Preis-Leistungs-Sieger
- Huizache Reposado Tequila* (Marke mit etwas modernerem Design, geschmacklich mit wunderbar fruchtigen Noten und wunderbar mild)
- Villa Lobos Reposado* (Wunderbar komplex, fruchtig, mineralisch, erinnert streckenweise fast an einen leicht verrückten Weißwein – eher für den Pur-Genuss gedacht, schmeckt aber fantastisch im Oaxaca Old Fashioned).
Mezcal
Mezcal ist der große Bruder des Tequila – und eigentlich ist Letzterer sogar nur eine Unter-Kategorie, die irgendwann aufgrund ihrer Beliebtheit einfach deutlich größer wurde. Gut, an den Produktions-Umständen kann’s auch liegen. Mezcal lebt von der handwerklichen Herstellung, bei denen die Agaven oft noch per Hand oder mit Hilfe Esel-betriebener Mühlen zerkleinert, über Tage in Erdöfen gekocht und dann handwerklich destilliert werden. Mezcal ist entsprechend kantiger als Tequila, meist rauchig und wird von Afficionados fast ausschließlich pur genossen.
Mezcal darf anders als Tequila aus einer Vielzahl von (trotzdem reglementierten) Agaven hergestellt werden, darunter diverse seltene Wildagaven – der Großteil der Produktion findet in Oaxaca statt, daneben dürfen noch vier weitere Bundestaaten Mezcal produzieren. Die meisten Mezcals, inklusive der hier vorgestellten werden aus der Espadin-Agave hergestellt, die recht breit verfügbar ist. Seltenere Agaven führen zu hochpreisigeren Produkten, die gerne mal über 100 Euro die Flasche kosten können. Klingt viel für eine weiße Spirituose, allerdings sind einige der hierfür eingesetzten Agaven über 20 Jahre alt und wie gesagt verflucht selten – das und die Erfahrung der Maestros de Mezcal genannten Brennmeister, zahlt man mit. Für die Homebar und das tatsächliche mixen mit Mezcal empfehlen wir folgende noch bezahlbare Einsteiger-Buddeln:
- San Cosme Mezcal* (Mild-rauchig, angenehm weich, mit leicht kräutrigen Aromen – der unkomplizierteste von den drei hier genannten)
- Del Maguey Vida* (Kantig und ausnehmend rauchig, ein bisschen der Laphroaig 10 unter den Mezcals – wer Tequila UND Islay Whiskys mag, findet hier den perfekten Einstieg)
- Topanito Mezcal 52% (Es gibt noch einen milderen, 40%-igen zum Hammerpreis, aber dieser hier ist in der Kategorie für uns ungeschlagen – kräftig, mit mineralischen und vegetalen Aromen, fein ausbalancierter Rauch)
Für alle, die darüber hinaus auch in den puren Genuss dieser Spirituosen-Kategorien reinschnuppern wollen, empfehlen wir einen liquiden Rundgang durch die recht großen Portfolios von Noble Coyote und Del Maguey oder das Wildagaven-Trio aus dem Topanito-Portfolio.
Zusatz-Tipp: Agavendicksaft
Viele Cocktails mit Agaven-Spirituosen wie der Oaxaca Old Fashioned oder die Tommy’s Margarita setzen nicht einfach nur auf banalen Zuckersirup als Süßequelle, sondern auf Agavendicksaft. Der wird gerne mal als “gesunde Alternative” zu Zucker im Reformhaus angeboten, ist aber in Wahrheit wahrscheinlich sogar ein kleines bisschen schlimmer für Zähne und Körper. Dafür ist er aber auch intensiv-würzig-agavig und unterstützt die Aromen von Agaven-Schnaps ungemein. Ergo: Agavendicksaft* einpacken, wenn ihr Tequila und Mezcal vermixen wollt.
Was man sonst noch aus Mexico probiert haben sollte
Das wunderbare Dr. Sours-Team hat uns in den letzten Jahren immer wieder mit spannenden Produkten aus Mexico versorgt, die zwar weder Mezcal noch Tequila sind, aber im selben aromatischen Fahrwasser schwimmen. Wenn ihr euch generell für mexikanische Spirituosen interessiert, könnte sich der Blick über den Agavenrand lohnen:
- Sotol (Sehr mineralische Spirituose, geschmacklich ähnlich zu Mezcal, wird aber aus der sogenannten Dasylirion gebrannt, die lediglich mit der Agave verwandt ist)
- Pox (Wilder Mix aus Mais, Zuckerrohr und Getreide, der sich zu einem kristallklaren, butterweichen und subtilen Spirit vereinigt – wunderbares Zeug)
- Dr. Sours Bitters (Bitters auf Mezcal-Basis mit speziellen mexikanischen Geschmacksrichtungen – genauere Infos gibt’s in unserem Artikel dazu, verfügbar sind die Bitters derzeit leider nicht)
Photos by Marlon Michelle Corado & Ivan Cortez on Unsplash.