Pisco vs. Pisco – der Kampf um die Deutungshoheit in Sachen südamerikanischer Traubenbrand tobt leidenschaftlich wie nie zwischen Peru und Chile. Beide beanspruchen die Traubenspirituose und den untrennbar damit verbundenen Pisco Sour als...
Pisco
Pisco: der Traubenbrand aus Chile und Peru
Pisco Sour kennt jeder; oder zumindest haben die meisten schon von diesem klassischen Cocktail aus Pisco, Eiweiß und Limetten gehört. Aber Pisco selbst? Was das ist, woraus er gemacht wird, wo er herkommt? Meh. Selten war eine Spirituose so eng mit einem einzelnen Drink verbunden wie der südamerikanische Traubenbrand mit diesem simplen Sour. Es scheint fast, als könnte man mit dem Zeug keinen anderen Drink mixen, oder?
Doch kann man – sogar ziemlich viele. Und es gibt auch nicht einfach nur „den Pisco“; sondern ähnlich wie bei Rum oder Whisky eine ganze Reihe verschiedener Stile und Sorten (wenn auch zugegeben in deutlich kleinerem Ausmaß). Aber weil diesem Weinbrand anders als Mezcal oder Genever nie nachgesagt wird, er wäre der nächste geile Scheiß, reden eben nicht ständig alle darüber. Also übernehmen wir das. Aber beginnen wir von vorn.
Was ist Pisco jetzt eigentlich genau?
Pisco ist ein Weinbrand, er wird aus frischem Traubenmost destilliert. Anders als oft angenommen ist er also kein Tresterbrand wie zum Beispiel der italienische Grappa. Stellt ihn euch eher vor wie ungereiften Cognac, Armagnac oder spanischen Brandy. Wobei das wohlgemerkt nur für die Herstellung gilt – geschmacklich sind diese Spirituosen vom Pisco sehr weit entfernt.
Was die tatsächliche Produktion angeht, sind die Unterschiede zwischen den Marken, vor allem aber zwischen den Ländern Peru und Chile sehr breit. Beide beanspruchen den Pisco als Nationalgetränk, aber während Peru durch starke Reglementierung eher die Premium-Linie fährt und ähnlich wie beim Deutschen Reinheitsgebot für Bier keine Zusätze oder weiterführenden Veränderungen des Grundprodukts zulässt, ist Chile eher auf Massenproduktion ausgerichtet und erlaubt zum Beispiel auch fassgereifte Piscos. Die Unterschiede sind jedoch noch viel tiefgreifender.
Chilenischer Pisco
Selbstverständlich hat auch Chile Regeln und Gesetze, um seine Nationalspirituose zu schützen, allerdings sind diese nicht wie in Peru auf handwerkliche Produktion in kleinen Chargen ausgerichtet. Allerdings müssen alle chilenischen Pisco-Destillerien ihre Trauben selbst anbauen. Dafür stehen nur wenige Sorten zur Wahl: Moscatel Rosada, Moscatel de Austria, Pedro Ximenez, Muscat d’ Alexandrie und Torrontés Riojano, wobei die Moscatel-Trauben als aromatische Trauben eine eigene Gruppe bilden.
Ein Weinberg bei Pisco Equi in Chile.
Diese Traubensorten dürfen mit Industriepressen ausgepresst werden und unter Zugabe von Hefe vergärt werden. Anschließend reift der Pisco bis zu einem Jahr in Holzfässern und wird auf Trinkstärke verdünnt. Je nachdem, wie stark er verdünnt wird, gilt er danach als Regular (30 bis 35 Prozent), Special (35 bis 40 Prozent), Reserve (40 bis 43 Prozent) oder Grand (43 Prozent). Zwar bedeutet mehr Alkohol auch mehr Aromen und mehr Herstellungs-Kosten, trotzdem ist die Qualitäts-Auszeichnung damit im Wesentlichen dasselbe wie eine zusätzliche Volumenprozent-Angabe auf der Flasche.
Peruanischer Pisco
Peru hat seine Pisco-Produktion deutlich stärker reglementiert, hauptsächlich um die Qualität seiner wichtigsten Exportware nicht zu gefährden. Auch hier werden die Trauben für die Produktion strikt eingegrenzt und eingeteilt: Italia, Torontel, Moscatel und Albilla gelten als aromatisch, Quebrante, Negra Criolla, Mollar und Uvina als nicht-aromatische Trauben. Wobei „nicht-aromatisch“ nicht geschmacklos bedeutet, sie sind lediglich etwas feiner. In Peru dürfen diese Trauben dann ausschließlich mit mechanischen Geräten oder durch Beinarbeit gepresst werden und Zusätze im Gärprozess sind verboten.
Ihr denkt, dass das die Sache schon komplizierter macht? Obendrauf muss Peruanischer Pisco in Pot Stills destilliert werden und darf danach nicht mit Wasser auf Trinkstärke runterverdünnt werden. Um auf die vorgeschriebenen 38 bis 48 Prozent Alkohol zu kommen, muss der Master Distiller also ziemlich präzise arbeiten. Anschließend wird der Weinbrand für mindestens drei Monate in neutralen Gefäßen aus Edelstahl oder Glas gelagert.
Die Unterarten des peruanischen Pisco
Peruanischer Pisco hat genau wie der chilenische vier Varianten, allerdings sind dieser hier etwas komplexer angelegt: Pisco Puro nennt sich jeder Pisco, der aus nur einer einzelnen Traubensorte hergestellt wird. Pisco Aromáticas ist der Name für ebenfalls sortenreine Piscos, die ausschließlich aus den aromatischen Trauben hergestellt werden, sprich Muscatel, Albilla, Italia oder Torontel.
Acholado bezeichnet einen Trauben-Blend, aus dem der Weinbrand hergestellt wird. Dafür dürfen sowohl einfach die Trauben gemischt werden, als auch ein tatsächlicher Blend aus einzelnen Destillaten zusammengestellt werden. Die wohl aufwendigste Variante ist der Mosto Verde: Dabei wird die Gärung des Mosts unterbrochen, um eine gewisse Menge Restzucker zu behalten. In der Folge bekommt der Pisco mehr Traubenaromen, dafür benötigt man in der Herstellung allerdings statt 5 bis 8 kg Trauben 10 bis 12 kg.
Der Ursprung des Pisco
Pisco wird seit über 400 Jahren hergestellt und auch wenn sich Chile und Pisco sehr uneinig darüber sind, wer nun die wahre Pisco-Nation ist, sind sie sich doch einig, was seine Herkunft angeht: Er stammt aus der Hafenstadt Pisco in Peru. Die bekam ihren Namen noch von den Inkas, die die gesamte Region „Pisko“ nannten, uu Deutsch: Fliegender Vogel. Und das einfach nur, weil hier echt viele Piepmatze rumflatterten.
Die Rebstöcke für den Anbau der Trauben sind im Gegensatz zum Namen fast schon neuzeitlich: Sie kamen mit den Spaniern von den Kanaren und verbreiteten sich von da aus in ganz Südamerika, das für den Anbau hervorragende Grundvoraussetzungen mitbrachte. Zusammen mit den Rebstöcken kam dann eben auch der Pisco nach Chile. Weil die Chilenen das aber nie so ganz überwunden haben, benannten sie Anfang 1936 den Ort La Greda in Pisco Elqui um. Klingt total nicht kindisch.
Pisco in der modernen Bar: Cocktails und Pur-Genuss
Die Welt der echten Pisco-Aficionados ist noch recht klein: nur wenige beschäftigen sich intensiv mit verschiedenen Pisco-Varianten und in der durchschnittlichen Hausbar findet man höchstens eine halbwegs brauchbare bis gute Flasche für den schnellen Pisco Sour. Viele Bars stocken wohlgemerkt auf, entdecken den südamerikanischen Weinbrand für fruchtige, leichte Drinks und Spirituosen-Fans probieren sich immer öfter auf Messen, in der Bar oder im Fachhandel durch die Sortimente und sind nicht selten auch begeistert.
Ihr möchtet euch selbst mal intensiver mit Pisco auseinandersetzen – oder überhaupt mal selber einen Pisco Sour mixen? Guten Pisco gibt’s für deutlich unter 20 Euro, Sipping-Piscos kosten selten über 30. Auch, wenn die Bandbreite an Cocktails für Experimente nicht ganz so groß ist wie bei Whisky oder Rum: Allein mit den unzähligen Chilcano-Varianten lassen sich ganze Abende verbringen: Pisco plus Ginger Ale und Limette – und wenn ihr Lust habt, infundiert ihr den Pisco vorher noch eine Nacht lang mit frischen Beeren oder Früchten.
Unbedingt probieren: den Pisco Punch. Eine klassische Pisco-Bowle, die sich auch als einzelner Cocktail gut macht und mit Ananas-Sirup und Limetten als Zutaten ebenfalls nicht besonders kompliziert ist, aber dafür mit einem ganzen Haufen Twists aufwartet. Um diesen Drink so originalgetreu wie möglich zu mixen, braucht ihr einen Italia-Pisco. Und weil man einen Pisco Sour allermeistens aus Quebranta macht, ist das doch die beste Ausrede, um zum Start eurer Sammlung gleich zwei Flaschen zu kaufen …
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