Gin & Tonic-Tastings im Jahr 2021: “Was is’n das Thema?”

Fünf Flaschen Gin, fünf Flaschen Tonic Water und ein Gin Tonic.
Wer 2021 ein Gin & Tonic-Tasting aufzieht, muss sich was einfallen lassen.

Anfang der 2010er-Jahre war ein Gin Tasting eine unkomplizierte Sache. Die Besucher kannten im Wesentlichen Gordon’s und Schweppes, eine Zitronenzeste statt der bisher bekannten Scheibe war optisch wie aromatisch ein Garnitur-Geniestreich und wenn man als Redner grob die Botanicals und das Ursprungsland der vorgestellten Destillate wusste, galt man als Verkostungshalbgott, als messianischer Quell liquiden Wissens. Herrgott, man konnte “Sauerampfer mit einer Andeutung von Schabzigerklee” als olfaktorischen Eindruck in den Raum werfen und drei Viertel der Teilnehmer nickten andächtig.

Im Jahr 2021, vor allem in Anbetracht einer (hoffentlich) langsam auslaufenden Pandemie, sind Gin Tastings deutlich komplizierter geworden. Aus einer kleinen Schar Menschen, die sich ein bisschen für Gin interessierten, wurde in den letzten zehn Jahren eine Kohorte hochspezialisierter Wacholder-Nerds. Wer für seine Verkostung einfach nur 5 bis 6 Standard-Gins auswählt, riskiert, das die Teilnehmer die Hälfte davon schon kennen und – bedingt durch 1,5 Jahre hartes Hometasting-Trainingslager – am Ende sogar die besseren, weil massentauglicheren Tonic-Kombination parat haben. Denn selbst die härteste Leber kann beruflich längst nicht mehr genug Gin & Tonic trinken, um wirklich jeden neuen Gin zu kennen. Entsprechend müssen Tastings heute kreativer sein, wenn sie etwas bieten wollen.

Moment, ich will gar kein Tasting veranstalten – ich will eins buchen

Sicher? Okay kein Problem – schließlich sind in den letzten Monaten Anbieter von Online-Tastings wie Pilse aus dem Zapfhahn geschossen und wir sind uns sicher, dass die bleiben. Der Modus ist einfach zu gut und unkompliziert, das ganze Danach-direkt-ins-Bett-fallen so bequem. Aber freilich möchten die Leute – inklusive euch und uns – jetzt wieder raus, fremde neue Menschen treffen und Auge in Auge über das bestmögliche Garnish für einen Gin Mare mit Thomas Henry Botanical Tonic diskutieren. Die erste Anlaufstelle, gerade wenn ihr das Tasting vielleicht sogar verschenken wollt, sind deutschlandweite Gin Tasting-Anbieter, die arbeiten meist eng mit professionellen Bars und Bartendern zusammen, die auch gewisse Standards erfüllen müssen.

Daneben gibt es natürlich noch diverse lokale Anbieter, meist umso mehr, je größer die Stadt ist, in der ihr lebt. Wer eine Lieblingsbar hat, kann auch einfach mal auf deren Webseite schauen oder den Bartender fragen (geht ja jetzt wieder). Denn wenn ihr schon wisst, dass ihr in einer Location gerne trinkt, dann könnt ihr meist auch davon ausgehen, dass bei einem Gin & Tonic-Tasting dieselbe Gastlichkeit und Drink-Qualität gilt. Und wenn das alles nicht hinhaut, weil ihr leider wirklich ziemlich weit ab vom Schuss wohnt, bleibt immer noch selbst organisieren. Traut euch ruhig – näher an das für euch perfekte Tasting kommt ihr nie wieder.

Gin & Tonic nach Thema – finde das perfekte Setting für dein Gin Tasting

Wenn ihr selbst ein Tasting haltet, egal ob ihr das beruflich macht oder privat für eure Freunde & Freundinnen, solltet ihr ein Thema haben, dass sowohl für Gin-Einsteiger, als auch für erfahrene Gin-Genießer interessant ist. Das gilt als professioneller Anbieter, weil ihr natürlich beide Gruppen anlocken wollt – und als privater Veranstalter gilt das, weil ihr, wenn ihr diesen Artikel lest, mit einiger Sicherheit einen wild durchgemixten Freundeskreis aus Nerds und Trinken?-Bin-Dabei!-Freunden habt. Ein paar – wie wir finden – schöne Ideen für Verkostungs-Themen wären zum Beispiel diese hier:

  • Gin-Weltreise: 5 bis 7 Gins von allen Kontinenten, nach Möglichkeit mit entsprechend lokaler Botanical-Auswahl. Kommt immer gut.
  • Gin aus Land XYZ: Das exakte Gegenteil der Weltreise, wir widmen uns den Gins eines einzigen Landes. Funktioniert hervorragend mit Frankreich, Schottland, Italien, Spanien – Großbritannien und vor allem Deutschland als Thema sind hier oft zu ausgelutscht. Es sei denn …
  • Hyperlokale Gins: Die großen deutschen Gins hat jeder, der sich dafür interessiert, schon probiert und wahrscheinlich sogar zu Hause stehen. Anders sieht es aus, wenn ihr die 6 besten Gins aus Bayern, Saarland, Norddeutschland zusammenstellt. Da finden sich gerade bei kleineren Destillen oft noch wahre Schätze. Bei lokalpatriotischen Trendlocations mit großen Namen wie Hamburg mit Gin Sul und Knut Hansen oder dem Schwarzwald kann sich das an einzelnen Orten allerdings auch schnell totlaufen.
  • Gin nach Kategorie: Weg von Orten, hin zu New Western Dry Gin, London Dry oder Flavoured Gins. Gerade Letztere Kategorie, auch wenn es den Fans klassischer Gins nicht gefallen mag, nimmt in den letzten Jahren gewaltig Fahrt auf und kommt bei gemischten Tastings meist besonders gut an.
  • Gin nach besonders schnieker Flasche: Warum nicht mal einfach komplett in Dekadenz wälzen und ein Tasting nur mit Gins veranstalten, die besonders schöne Flaschen haben? Klingt albern, aber der Durchschnittskunde kauft auch in Sachen Wacholder nach Optik und Haptik. Wer jetzt also ein Bild mit 5 oder 6 super-edlen Buddeln posten kann, hat zumindest mal Aufmerksamkeit sicher – und wer dann noch richtig gute Gins in starken Flaschen findet, kann beweisen, dass manchmal eben doch alles Gold ist, was glänzt. Zumindest in euren Tastings.
  • Gin nach Drink: Ja, wir schreiben hier eigentlich über Gin & Tonic-Tastings und das ist auch das, was die meisten Menschen wollen. Aber den Autor dieser Zeilen selbst, den würdet ihr aktuell mit einem Gin & Vermouth-Martini-Tasting noch ein gutes Stück mehr begeistern.
  • Gin nach Destillations-Art: Supernerdig und wenn ihr so ein Tasting halten wollt, solltet ihr euch schon entsprechend auskennen. Aber warum nicht mal einen Abend lang ausschließlich mit Gins trinken, die in CO²-Extraktion destilliert wurden? Oder nur Gins, die komplett aus Einzelgeisten geblendet wurden? Nur Gins, die über Geistkörben in Perkulation gebrannt wurden? Oder von jeder Sorte einer, um die Unterschiede kennenzulernen. Die Techniken zur Gin-Herstellung sind irre breit gesät – in den meisten Tastings wird aber nur kurz die Funktionsweise einer normalen Brennblase angerissen. Ändert das mal!

Wie ist das mit den Tonics bei der Themenwahl?

Wir sind ehrlich: Unserer Erfahrung nach spielen die Tonics in den letzten Jahren eine massiv untergeordnete Rolle in den Tastings. Meist herrschen zwischen den Fans von Thomas Henry, Fever Tree und Schweppes friedliche aber klare Fronten und der Wunsch, das eine, perfekte Tonic für den Lieblings-Gin zu finden, verblasst langsam in den Köpfen der Tasting-Besucher. Klar: In der inzwischen ebenfalls irre breiten Tonic-Welt da draußen gibt es Unmengen richtig gutes Zeug, von dem man das eine oder andere durchaus probiert haben sollte. Und klar: für viele Gins gibt es durchaus perfekt passende Underground-Tonics ab von den großen Namen. Aber so ganz privat nutzen wir für Gin & Tonics inzwischen je nach Gin Schweppes Dry (furztrocken, super für klassische, aber auch für Flavoured Gins) oder Fever Tree Mediterranean (kräutrig, mild, spritzig – toll für mediterrane und nicht ganz so kräftige Gins). Eins davon passt immer und zwar immer richtig gut.

Ich habe noch nie selbst einen Verkostungsabend gehalten – was muss ich denn da ab vom Thema beachten?

Neben guter Atmosphäre, sauberen Gläsern, genug Wasser, Snacks und absurden Mengen Eis und ordentlicher Vorbereitung gibt es wenig, das verpflichtend wäre. Gerade, wenn ihr privat ein Tasting aufzieht, kennt ihr eure Pappenheimer am besten und wisst besser als wir, ob die eher trockenes Brot knabbern wollen, um auch ja jede aromatische Nuance im Gin erkennen zu können, oder ob sie sich lieber einen vor Olivenöl triefenden Antipasti-Teller reingönnen, weil sie weniger verkosten als vielmehr mit möglichst vielseitigen Getränken das Leben feiern wollen. Ein paar etwas Profi-tauglichere Guidelines und Tipps findet ihr zum Beispiel bei Philipp von Eye for Spirits. Mit denen seid ihr hervorragend für euer erstes Tasting gewappnet. Und keine Panik, wenn ihr nervös werdet – spätestens beim dritten zu verkostenden Gin ist das meistens vorbei. Professionell und nüchtern bleiben solltet ihr übrigens trotzdem – zumindest so lange ihr das Tasting vor Fremden haltet.

 

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Johann

Cocktailbarts Archmage of Content bei Nacht, Familienvater & Texter bei Tag. Lieblings-Drink Martini, Lieblings-Spirituose trotzdem Rum. Wohnt in Franken, kommt aus der Oberpfalz (ist beides in Bayern, tschuldigung). Typischer Satz: "Meinste das wär geiler, wenn man Olivenlake reintut?"

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