Obstbrand ist in Sachen Cocktails nach wie vor eine der am stärksten unterschätzten Kategorien überhaupt – zumindest hier bei uns in Deutschland. Hier, wo wir praktisch alle mit großelterlichen Regalen diversester Digestifs aufgewachsen sind, ist so ein Willy schlicht nichts besonderes, vor allem aber nichts, dass wir uns in einen Drink mixen würden. Das Problem ist nur: dafür gibt es außer unserer verbohrten Ignoranz recht wenig Gründe.
Die Flaschen für diesen Artikel wurde uns zu redaktionellen Zwecken zur Verfügung gestellt, Bedingungen gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Ein gut gemachter Obstbrand – und neben den Rachenbrennern aus Omas Hausbar gibt es von den guten Sachen ebenfalls genug – ist ein Gedicht und das schon pur. Und wie wir aus praktisch allen Kategorien wissen: Was uns pur schmeckt, ist so gut wie immer auch eine hervorragende Cocktail-Basis. Grund genug für uns, in naher Zukunft öfter mal auch einen Obstbrand zu verkosten und zu vermixen (denn sind wir ehrlich: auch wir haben da Nachholbedarf). Heute etwa den Ziegler Williamsbirnenbrand.
Die Story hinter Ziegler Williamsbirnenbrand
In der modernen Spirituosenwelt, diesem seit etwa 2010 bestehendem Hipster-Konstrukt, in dessen Siegeszug auch cocktailbart.de zugegebenermaßen entstanden ist, kennt man Ziegler gößtenteils für Aureum und G=in³, dem Whisky und dem Gin des Hauses. Vor allem ersterer ist oft mit diversen speziellen Editionen auf diversen Spirituosenmessen zu finden. Meist gut belagert von den Fans, die der seit 2008 verkauft Whisky aus deutschen Landen zwischenzeitlich angesammelt hat.
Tatsächlich besteht die Brennerei Ziegler aber seit 1865 in Freudenberg am Main und machte seitdem vor allem durch hochwertige Brände und Geiste von sich reden. Besonders stolz ist man hier aber auf die Zeit ab den 1980ern, als man sich in die Sternegastronomie und damit natürlich auch noch stärker in die Obstler-Gläser der großen Genießer gebrannt hat. Eines der Produkte, die sich dann auch hier wiederfinden ist eben der hier und heute verkostete Williamsbirnenbrand, einer der beliebtesten Obstbrände von Ziegler. Auf die 0,35 Liter Willy in unserer Flasche entfallen volle 7 Kilo Birnen. Schmeckt man das auch?
So schmeckt dieser Williamsbirnenbrand
Kristallklar liegt der Willy im Glas und schwenkt sich mit einer Viskosität, die man guten Gewissens als cremig betiteln darf, garniert mit einem Vorhang aus fetten Tröpfchen am Glasrand. Der Duft: Eindringliche Birne, aber nicht von der eindimensionalen Sorte: Florale Noten von Flieder und Birnenblüten, eine leichte Note von Hefe und Getreide, dazu eine schwer zuzuordnende, sehr frische Zitrusnote.
Nase: Birne, Flieder, Birnenblüten, Hefe, Getreide, Zitrus
Mund: Birne, Apfel, Orange, Flieder, Getreide, Kirsche, Blüten
Auf der Zunge eine sehr fruchtige Intensität – die für deutsche Obstbrände sehr hohen 43% machen sich in der geschmacklichen Präsenz bemerkbar, wirken dabei aber nicht alkoholisch, auch von Brennen keine Spur. Birne, Apfel, und etwas Orange treffen hier wieder auf florale Noten von Flieder, leicht grasiges Getreide und eine unerwartete, aber sehr angenehme bittere Note. Anklänge von Kirsche sind da und im Abgang wieder Blüten.
Der Williamsbirnenbrand von Ziegler pur und in Cocktails
Pur ist dieser Willy ein gustatorisches Abenteuer, die Mischung aus Komplexität und Weichheit könnte einige (aber freilich längst nicht alle) der älteren Herrschaften in unseren Bekanntenkreisen allerdings abschrecken. Wo man sich mit Birnengeist das Fett vom Essen aus dem Rachen brennen will, ist dieser Birnenbrand eher schlecht aufgehoben. In Cocktails dagegen fühlt er sich sofort wohl: Einem Williams Martini mit 6:1 Teilen Wermut steht er toll zu Gesicht und auch ein neoklassischer Williams Sour (6:2:2; Willy:Zitrone:Zucker) gelingt damit mehr als ausgezeichnet. Obendrein entwickeln wir mit dem birnigen Baby aber natürlich auch eigene Drinks – diese beiden hier haben uns dabei besonders gut gefallen:
Word of the Pear
- 3 cl Ziegler Williams Birne
- 3 cl Italicus
- 3 cl Chartreuse
- 3 cl Limette
Alle Zutaten zusammen auf Eis shaken und in ein gefrostetes Nick & Norah-Glas abseihen. Trinken.
Pear Group
- 6 cl Ziegler Williams Birne
- 1 Bl Creme de Cacao
- 2 cl Weißer Port
- 3 Dashes Ferdinands Rubinette Apple Lemon Thyme
- 3 Tropfen Absinth
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Fazit: Schöner Brand, der vor allem mit seiner Kraft begeistert – wer auf den Pur-Genuss schielt und vor allem Birne schmecken will, könnte sich in der Komplexität verlieren, aber das ist Kritik auf ganz hohem Niveau. Die Kraft und Komplexität sind es dann nämlich auch und gerade, was ihn in Cocktails so spannend macht.
Daten: 43 Prozent, 70 Euro für 0,7 Liter, Deutschland
Die Flaschen, die hier zum Einsatz kam, wurde uns für redaktionelle Zwecke zur Verfügung gestellt, dabei wurde aber weder auf eventuelle Artikel noch auf das Tasting Einfluss genommen. Wir danken für die ausnehmend freundliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit.
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