Alpestre, die Südtiroler Kräuterspirituose ohne Zucker und der Alpino Cocktail

Der Alpestre im Mule mit einem Spritzer Limette und Ginger Beer.
Der Alpestre im Mule mit einem Spritzer Limette und Ginger Beer.

Spirituosen auf Kräuterbasis gibt es zu Hunderten, wenn nicht sogar Tausenden. Jedes Land, jede Region, jedes zweite Dorf hat seinen ganz einen Kuddelmuddel aus örtlichem Unkraut, den man irgendwie zu irgendwas destilliert hat. Vieles davon Unfug, so manches richtig große, flüssige Kunst – ohne Kräuterliköre wären die Cocktail-Bücher dieser Welt nicht halb so voll. Genau da liegt aber auch so ein bisschen die Macke: praktisch alle relevanten Kräuter-Destillate werden mit Zucker zum Likör aufgefüllt. Alpestre nicht.

Die Flasche für dieses Tasting wurde uns von der Conalco Spirituosen UG zur Verfügung gestellt. Bedingungen gab es nicht, ausgenommen der transparenten Nennung des Unternehmens im Fall einer Veröffentlichung. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.  

Dieser Kräuterschnaps kommt so ganz ohne zusätzlichen Zucker aus – dabei kommt er aus Südtirol. Und was Kräuterliköre angeht, ist dies das vielleicht wichtigste, auf jeden Fall aber wahrscheinlich spannendste Land der Welt – und eines der süßesten. Trotzdem beginnt die Geschichte dieses Nicht-Likörs in einem anderen Land, das auch nicht gerade wenig Ahnung von Kräutern hat: Frankreich.

Die Story hinter Alpestre

1857 entwickelte ein Maristen-Mönch das Rezept für den Alpestre, das angeblich bis heute genau so in Verwendung ist. Klar: wenn im 19. Jahrhundert irgendwo jemand Kräuter destilliert hat, meist als “Medizin”, dann waren die Kuttenträger ja nie weit. 34 Kräuter schüttete Bruder Emanuel damals in den Kessel – darunter Minze, Thymian, Lavendel, Fenchel, Kamille und Melisse. Die meisten Zutaten sind allerdings – wie praktisch immer, wenn irgendwas aus dem Kloster kommt, geheim.

Alpestre im D-Punch mit Limette und Agavennektar.
Alpestre im D-Punch mit Limette und Agavennektar.

Um 1900 war dem Franzosen wohl die Heimlichtuerei genug – aufgrund diverser Gesetze zur Trennung von Kirche und Staat, auf die die Herren Mönche keinen Bock hatten, zogen sie in die Nähe von Turin nach Carmagnola. Und das, obwohl Alpestre damals schon recht erfolgreich war: Unter dem Namen Arquebuse wurde es zur Wundheilung eingesetzt. Ab 1929 schließlich erfolgte die Umbenennung in Alpestre und einige Zeit später der Anbau einer richtigen Destillerie, die das Destillat seitdem im großen Stil produziert. Die Variante, die uns hier vorliegt, reift vier Jahre in Slawonischen Eichenfässern (Slawonien liegt in Kroatien), es gibt aber auch eine “echte” Likör-Variante und eine 20 Jahre gereifte Riserva-Speciale-Version.

Liest man die Bewertungen und Kundenmeinungen zu Alpestre, dann springen einen Aussagen wie “Almdudler für Erwachsene” und jede Menge Berichterstattungen an, die davon handeln, das Tirol-Urlaubern das Zeug nach einem schweren Essen empfohlen wurde. Von “Wunderwirkung” liest man da und auch davon, dass man den Kräuterschnaps erhitzen und gegen Erkältung einnehmen soll. Nur von Cocktails steht da wenig. Bevor wir uns darum aber selbst kümmern, schmecken wir pur rein:

So schmeckt Alpestre

Hellgelb und leicht ölig liegt er im Glas und trübt kein Wässerchen, bis er uns olfaktorisch aus dem Hinterhalt angreift: Brachiale Kräuterkraft dringt in die Nase, Mit Kamille, Minze und Rosmarin. Dazu eine ordentliche Portion Liebstöckel und Fenchel. Thymian ist da und Pfeffer, Zitronenmelisse und sogar ein wenig Knoblauch. Das ist der Moment, in dem wir uns sagen: “Wenn man da keine Cocktails draus machen kann, wird’s wenigstens eine Wahnsinns-Salatsoße.”

Nase: Kamille, Minze, Rosmarin, Liebstöckel, Fenchel, Thymian, Pfeffer, Zitronenmelisse, Knoblauch

Zunge: Minze, Kamille, Thymian, Rosmarin, Fichtennadeln, Sandelholz, Salbei

Auf der Zunge ist er zunächst tatsächlich furztrocken und nur leicht bitter – vor allem aber erfrischend. Minze und Kamille sind wieder die primären Geschmacks-Assoziationen, dazu Thymian. Rosmarin ist da und Fichtennadeln und Sandelholz. Salbei kommt im Nachklang stark heraus. Die extreme Breite, die er noch in der Nase hatte, finden wir hier zwar nicht, nichtsdestotrotz ist er der Alpestre auch am Gaumen ein ziemlich komplexes Destillat – aber eines, das aufräumt: eine gewisse Schärfe im Abgang lässt sich nicht wegdiskutieren, verfliegt aber zum Glück schnell.

Alpestre pur und in Cocktails

Alpestre ist irre intensiv und pur ganz sicher was für Fans des klassischen Kräuter-Digestifs. Kräuter-Power hat er zur Genüge und nach einem fetten Essen können wir uns durchaus ein Schlückchen davon vorstellen. Wer mit der Note nichts anfangen kann, für den stellt er immer noch einen spannenden Modifier dar – ein Spirituose, die ihr anstelle eines Amaro oder Charteuse im Drink einsetzt, um ihm eine gewisse Tiefe zu verleihen. Einen Drink komplett auf Alpestre aufzubauen, da sind wir ehrlich, das wird nur die wenigsten richtig glücklich machen. Aber wer auf Kräuter steht, der findet hier die liquide große Liebe.

Alpestre in einer White-Negroni-Variante mit Cap Corse Quinquina und Freiraumkollektiv Amaro.
Alpestre in einer White-Negroni-Variante mit Cap Corse Quinquina1 und Freiraumkollektiv Amaro.

Auf der Alpestre-Webseite wird er als D-Punch (mit Agavennektar, Rohrzucker und Limette) vorgeschlagen sowie als Mule mit Ginger Beer. Erstere Variante ist ganz offenkundig darauf ausgelegt, die Kräuter noch mehr herauszuheben – das gelingt hervorragend, ein spannender Cocktail. Die Variante mit Ginger Beer drückt das Kraut etwas nach unten und macht diesen Drink damit zur massentauglichsten Option in unserer Alpestre-Testreihe. Wie immer spielen wir aber auch etwas freier mit der Spirituose – in diesem Fall zum einen in einer ziemlich kuriosen, aber intensiv-kräutrigen White-Negroni-Variante mit Cap Corse Quinquina Blanc1, Freiraumkollektiv Amaro und eben Alpestre (1:1:1, gerührt) und im …

Alpino Cocktail

Alle Zutaten auf Eis rühren und in ein Glas mit frischem Eis abseihen. Trinken.

Alpestre im Alpino-Cocktail mit Revolte Swedish Punch und Papidoux Calvados sowie Dr. Sours Bitters.
Alpestre im Alpino-Cocktail mit Revolte Swedish Punch und Papidoux Calvados sowie Dr. Sours Bitters.

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Fazit: Alpestre ist eine ganz eigene Nummer für sich – eine, die nicht jedem gefallen wird. Wer aber schon immer mal einen Kräuterlikör gesucht hat, der einem vor lauter Zucker und Bitterstoffen nicht die Geschmacksnerven ausbrennt, der ist hier richtig. Obwohl … reinknallen tut auch dieser Stoff – aber eben nur mit Kräuterpower.

Daten: 44 Prozent, um 27 Euro für 0,7 Liter, Italien

Conalco hat uns eine Flasche des Produkts zur Verfügung gestellt, aber weder auf eventuelle Artikel noch auf das Tasting Einfluss genommen. Wir danken für die ausnehmend freundliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit. 

Bei den markierten Produkten handelt es sich um Spirituosen, an deren Vertrieb Johann in seinem Dayjob beteiligt ist. Er bekommt keine Provision für ihre Erwähnung und sein Arbeitgeber hat keinen Einfluss darauf, wann und in welcher Weise er auf Cocktailbart Produkte des Unternehmens erwähnt. 

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Johann

Cocktailbarts Archmage of Content bei Nacht, Familienvater & Texter bei Tag. Lieblings-Drink Martini, Lieblings-Spirituose trotzdem Rum. Wohnt in Franken, kommt aus der Oberpfalz (ist beides in Bayern, tschuldigung). Typischer Satz: "Meinste das wär geiler, wenn man Olivenlake reintut?"

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