“What the F*ck is Weissbrand” fragt BIRDS auf seiner Webseite, auf Facebook und auf schwarzen Postkarten. Damit nimmt uns die Weissbrand Distilling Co. die wichtigste Frage schon vor dem Tasting ab: Trinken wir da jetzt einen Weinbrand? Ach nein, laut der offiziellen FAQ auf der Webseite des Destillats darf sich der Brand nicht Weinbrand nennen – laut der EU-Richtlinie dafür müsste er ein sechsmonatiges Schläfchen in einem Holzfass halten, damit er sich so nennen kann. Dieser hier schläft nur drei Monate in Edelstahl.
Die Flasche für dieses Tasting wurde uns vom Hersteller auf unsere Anfrage zur Verfügung gestellt, Bedingungen an den Artikel gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Auch der Brennvorgang ist anders als beim Weinbrand: Denn genau wie bei einem Gin mazeriert der Weissbrand aus Mosel-Riesling erst noch den Geschmack aus Früchten und Gewürzen und wird dann erneut destilliert. Also ist er eigentlich ein Gin, weil er mit Botanicals arbeitet? Nö – denn der ist meistens aus Getreide und immer, wirklich immer mit Wacholder. Und der fehlt hier. Deswegen liegt unserem Paket neben der “What the F*uck”-Karte auch noch eine mit “Sorry, not another Gin!” bei. Ja, der BIRDS kommt in einem Paket, einer Box, einer Schachtel, mit Zusatzmaterial. Und zeigt damit von der ersten Sekunde an, dass hier jetzt gleich alles passiert – nur kein Understatement.
Die Story hinter BIRDS Weissbrand
Unser Umweltbewusstsein ermahnt uns, es nicht geil zu finden, wenn eine Spirituose in einer extra Box daherkommt. Davon schmeckt das Zeug nicht besser, die Flasche ist genug Verpackung. Unser Umweltbewusstsein erstummt, als eine tiefe, innere Stimme mit dröhnendem Hall “Auspackön!” durch die heiligen Hallen unseres Gehirns brüllt. Denn diese schicke weiße Box mit der tiefschwarzen Flasche drin und vielen kleinen Postkarten und Zetteln und einem kleinen Briefchen mit Prägepapier in einem Luftpost-Umschlag, das macht das Auspacken zum Erlebnis. Es fühlt sich so an, als würde man einen guten Whisky zum ersten Mal aus der Papp-Box oder -Röhre ziehen, nur mit mehr Spielzeug. Es macht das ganze Produkt aufregender.
Jetzt kann man das freilich – zurecht – Marketing schimpfen, diesen ganzen Aufwand. Auch die Story des Brands klingt danach: Während des Studiums entscheiden sich vier Jungs – Julian, Luki, Lupo, und Basti dazu, nicht einfach nur irgendeinen Brand zu brennen – sondern eine ganz eigene Produktkategorie zu erschaffen, einen Weissbrand. Wohl weil sie gerne reisen, entscheiden sie sich für grenzenlose Freiheit und Vögel und Fliegen wie eben ein Vogel als Thema. Deshalb der Name, deshalb das Logo, deshalb 12 Botanicals von 5 Kontinenten: Orangenschale, Äpfel und Johannisbeeren aus Europa, Nelken und Urwaldpfeffer aus Afrika, Sternanis und Süssholz aus Asien, Muskatblüte und Eukalyptus aus Australien, Angelika, Kakaoschale und roter Pfeffer aus Amerika.
Weil man das mit der neuen Spirituosenkategorie ernst meint, gibt’s mit dem THE WOLF Weissbrand auch schon vor dem BIRDS einen Vertreter der Kategorie aus gleichem Haus – zu 69 Euro für 0,35 Liter. Dagegen ist der BIRDS mit seinen 39 Euro für 0,5 Liter ein Schnäppchen. Während der WOLF dann auch eher zum Pur-Genuss gedacht ist, ist der BIRDS als Mix-Spirituose konzeptioniert. Natürlich testen wir den Weissbrand aber trotzdem erstmal pur:
Wie schmeckt der Weissbrand?
Der Glaskorken des BIRDS ist vergleichsweise schwierig aus der Flasche zu kriegen, was aber irgendwie zur ganzen Spannung passt, die Design, Box und mitgelieferte Kärtchen aufgebaut haben. Als wir den Brand dann im Glas haben, ist er kristallklar und schwer. Beim Schwenken bleiben eindeutige Schlieren, die erst kaum ins Glas zurückwollen. Erst nach ein, zwei Sekunden setzen sich tatsächlich Dutzende, sehr dünne und schwerfällige Beinchen ins Glas ab.
Blind wären wir uns nach dem ersten Schnupperer sicher, einen intensiven Obstbrand in der Nase zu haben: Äpfel und Mandarinen, gepaart mit einer leichten Esternote und etwas Pfeffer fliegen uns entgegen. Dieser Eindruck wird aber von einem starken Schwall von Gewürzen unterbrochen: Zimt und Anis schieben sich durch und ziehen eine Kombination aus Piment und Nelken hervor. In der Hand ein bisschen angewärmt und ein, zwei Minuten ruhen gelassen, hat der BIRDS etwas was von einem Spekulatius auf einem Weihnachtsteller.
Nase: Apfel, Mandarine, Pfeffer, Zimt, Anis, Piment, Nelken
Zunge: Süße Früchte, bitter, Pfeffer, Nelken, Piment, Zimt, Koriander, Muskat, weißer Glühwein
Der Eindruck in der Nase ist intensiv genug, um uns vorzuwarnen, nur bringt das nichts: Der erste Schluck trifft uns mit der Wucht von 1.000 wütenden Kung Fu-Weihnachtsmann-Rentieren: Eine angenehme Bitterkeit und süße Früchte nehmen unsere Zunge in Beschlag, überwältigen sie und malträrieren sie mit verstörend scharfem Pfeffer. Zurück bleiben im Mund Nelken und Piment. So verstört wir im ersten Moment von dieser brachialen Aromabreitseite sind, so spannend ist es, sich von diesem Destillat einfach umwerfen zu lassen. Trotzdem sind wir froh, dass der zweite, dritte, vierte Schluck die milderen Aromen preisgibt, von Zimt und Koriander und einem Hauch Muskat. Je mehr wir ihn im Mund einspeicheln, desto mehr geht der BIRDS in Richtung weißer Glühwein (nur halt in gut). Ein Brand, den man langsam lesen muss.
Was kann der Weissbrand in Cocktails?
Der BIRDS ist pur irre spannend und jeder, der damit arbeitet, sollte sich intensiv damit auseinandergesetzt haben. Das Aromaprofil ist extrem voluminös. Trotzdem würden wir als Aperitif wahrscheinlich eher etwas anderes bestellen, etwas weniger wuchtiges. Genau diese Wucht ist es aber, die aus dem BIRDS eine grotesk mächtige Mix-Spirituose macht. Einer dieser Brände, der die Hälfte aller Menschen, die ihn probieren, dazu bringt, “Weißte, was da geil dazu wär’?” zu brüllen. Auch wenn das ganze Vogel-Flugzeug-Freiheit-Gedöns so schrecklich nach Marketing klingt – mit dem Shaker oder dem Barlöffel in der Hand fühlt man das, was erst nur wie ein Werbegag klingt.
Tests mit Tonic Water, Ginger Beer oder einfach nur Soda als Fizz sind ganz lecker, werden dem kreativen Potenzial des Weissbrands aber unserer Ansicht nach nicht gerecht. Sie sind schlicht etwas zu wenig verspielt, lassen ihm zu viel Freiraum. Eine destillierte Kampfmaschine wie der BIRDS braucht einen starken Gegner, der Paroli bieten kann und eine tolle Show am Gaumen liefert. Die Profi-Barkeeper, mit denen zusammen BIRDS seine Signature Drinks erarbeitet, toben sich entsprechend auch bis zum Exzess aus: Da kommt selbstgemachter Roweinsirup zum Einsatz (im Rosé) oder Slowbrew Coffee Cold Drip im Slowbrew Birdroni. Das ist Kaffee, der hergestellt wird, indem man Eiswasser tropfenweise durch Kaffeepulver laufen lässt. Über Stunden hinweg.
Unsere Lieblings-Drinks mit BIRDS
Im Ape & Bird ist eine Porterbeer-Reduktion. Eingekochtes Schwarzbier also. Ein oder zwei Zutaten stehen in der Rezeptliste jedes Drinks, die man zwar durchaus daheim herstellen kann, die aber allein durch ihren exotischen Charakter und ihre Power klarstellen, dass hier irgendwo einer ein paar Eimer Kreativität destilliert hat. Am einfachsten ist da noch der Angry Birds Sour, im Prinzip ein Whiskey Sour mit BIRDS Weissbrand. In dieser Kombi schieben sich die Gewürze nach oben, aber auch der Riesling-Charakter des Brands lässt sich kurz blicken, schwingt fast schon in Richtung Champagner. Was herauskommt, schmeckt wie Silvester aus dem Glas.
Wer die vielen Gesichter dieses Brands mit nur zwei Cocktail-Rezepten kennen lernen will, mixt sich erst einen Summer Birds: Frischer Basilikum und frische Minze, mit Holunderblütenlikör, viel Limettensaft und natürlich BIRDS. Aufgegossen wird mit Riesling. Schenkt das an eurer Hochzeit im Juli zum Empfang aus und ihr könnt euch relativ sicher sein, dass die Leute euch noch vor dem Abendessen die Bar leersaufen. Drink Nummer zwei:
Der Smokey Bird aus rotem Wermut, BIRDS und Del Maguey Vida Mezcal – einem Mezcal, der so rauchig ist, dass man meint, Tequila und Laphroaig 10 hätten ein Kind bekommen. Dieser Drink ist was für Leute, die beim Pulled Pork-BBQ lieber den Rauch schweinen würden als umgekehrt. Diesen Drink werden die meisten wahrscheinlich eklig finden. Aber sogar hier kann sich der BIRDS Weissbrand noch durchsetzen, Akzente setzen. Falls Weissbrände also in den nächsten Jahren wirklich ein Ding werden – wir sind dabei.
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Fazit: Pur eine Aroma-Bombe, mit der nicht jeder umgehen kann und die nicht jedem schmecken wird. In Cocktails dagegen ein kreativer Turbotreibstoff.
Daten: 42,2 Prozent, 39 Euro für 0,5 Liter, Deutschland
Die Jungs vom BIRDS Weissbrand haben uns auf Nachfrage eine Flasche für diesen Test zur Verfügung gestellt, aber weder auf das Tasting noch auf den Artikel Einfluss zu nehmen versucht. Danke euch für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit 🙂
Zuletzt überarbeitet am
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Wusste garnicht das man das “Schlieren” und ” Beinchen nennt. Dachte das heißt wie beim Wein “fenstern”.
Gruß Mike
Ich hab auch schon “Nasen” und “Tränen” gehört in dem Zusammenhang 🙂