Update: Vor Kurzem wechselte The EARL Spirit den Basisalkohol, hin zu einem besseren, weicheren Produkt. Das erlaubte es ganz nebenbei auch, die Umdrehungen von einst 38 auf jetzt 40 Prozent hochzuschrauben. Wir haben die neue Version verkostet und basierend darauf diesen Artikel hier angepasst – er spiegelt nun unsere Eindrücke der neuen, verbesserten Variante wieder. Für alle, die sich einfach nur ein Update holen wollen: Im Mund ist er merklich weicher, die Bergamotte kommt in der Nase stärker raus aus vorher, auf der Zunge ist der Schwarztee etwas eindringlicher. In Cocktails macht sich der Unterschied gefühlt auch bemerkbar, den großen Unterschied bemerkt man aber vor allem in der Pur-Verkostung (bitte ohne Eis, das ist ab jetzt wirklich unnötig). Wer den alten Earl mochte, wird diesen hier lieben.
Wenn Menschen sich zusammen betrinken, reden sie viel und schmieden Pläne. Erfinden Bar-Konzepte, Cocktail-Blogs und einige träumen den großen Traum vom eigenen Schnaps. Unter den wenigen, die den Schritt weitergehen, die einfach mal machen, machen die meisten später Gin. Kennt jeder, mag jeder, muss man nicht jahrelang lagern, bevor man Gewinne rausholt. Der Machen-wir-jetzt-selber-Gin ist ziemlich oft ziemlich gut, aber eben immer Gin. Immer Wacholder mit Irgendwas. Damit das nicht langweilig wird, kann man den Wacholder-Anteil einfach drosseln – oder auf das “Gin”-Label pfeifen und einfach genau das zusammenbrennen, worauf man Bock hat – zum Beispiel den Tee-Schnaps auf Getreidebasis The EARL Spirit.
Die Flasche für dieses Tasting wurde uns vom Hersteller auf unsere Anfrage zur Verfügung gestellt, Bedingungen an den Artikel gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Zugegeben, der Earl ist nicht die erste Spirituose in den letzten Jahren, die auf diesen Trichter gekommen ist. Der BIRDS – Weißbrand etwa wirbt sogar ganz offensiv mit dem Slogan “Sorry, not another Gin.” Lustige Zwischen-Info: Menschen, die sich ganz bewusst entscheiden, eben keinen Gin zu brennen, entscheiden sich anscheinend auch bewusst dafür, bei der Namensgebung die Caps-Taste gedrückt zu halten. Zurück zum Thema: Auch, wenn The EARL Spirit die Rebellion nicht erfunden hat – mit Zitronengras, Schwarztee mit Bergamotte (daher der Name Earl – von Earl Grey) und Ingwer ist seine Botanical-Auswahl (und damit auch sein Geschmacksprofil) derzeit einzigartig.
Die Story hinter The EARL Spirit
Der Earl stammt von den beiden Berlinern Devran Sömnez und Fabian Fuchs, die den jungen Brand seit 2014 herstellen. Zuerst in einer Mini-Charge, die innerhalb kurzer Zeit ausverkauft war und seit Kurzem auch in größerem Stil. Sympathisch: Auf den Facebook- und Instagram-Kanälen des Earls kann man den beiden beim Bekleben und Einpacken der Flaschen zugucken. Außer dem eigentlichen Brennvorgang findet die ganze Produktion samt Marketing in einem heimeligen kleinen Ein-Zimmer-Büro mit Lager statt. Voll Start-Up, voll Berlin. Diesen Aufbruchsgeist trinkt man auch gefühlt ein bisschen mit. Auch wenn die beiden inzwischen eigentlich schon über den Begriff Start-Up hinaus arbeiten, diverse Kooperation mit Modelabels und Bitterlimonaden-Herstellern angeleiert haben und mit The EARL sogar schon im Fernsehen zu sehen waren.
Am Anfang stand aber natürlich eine Geschichte – welche Spirituose kommt heutzutage schon ohne aus? Die Idee für eine Schwarztee-Spirituose haben die beiden aus dem unveröffentlichten Manuskript zu einem Agentenroman, den ein Verwandter Fabians irgendwann mal angefangen, nie beendet und auf dem Dachboden liegen lassen hat. “Ost-James Bond” nennen die beiden das, was sie da lesen durften – und so richtig begeistert waren sie von der Story wohl nicht. Wohl aber vom Lieblingsgetränk des Ostblock-Spions: Schwarztee mit Schnaps. Also haben Sie sich Partner für den Brennvorgang gesucht und einfach mal losgelegt. Normalerweise sind wir da ja skeptisch, bei solchen Herkunftsgeschichten. Allein schon beim Wort “Dachboden” verdrehen wir inzwischen leicht die Augen. Aber die Nummer ist plausibel und das Wort “Geheimrezept” kommt auch nicht drin vor. Also glauben wir das jetzt einfach.
So schmeckt The EARL Spirit
Im Glas ist der Earl rotbraun und sehr dunkel – er hat die Farbe von Tee, der etwas zu lange gezogen hat. Beim Schwenken erkennt man die samtige Konsistenz, sehr ölig. Entsprechend sind die Beine, die danach ins Glas zurücklaufen, recht zahlreich und schwer. In der Nase riecht der Earl vor allem erstmal wirklich wie Earl Grey: starke, frisch wirkende Tee-Aromen mit Bergamotte und Zitronengras. Lässt man ihn ein paar Minuten stehen, riecht man auch den Ingwer durch und die Bergamotte wandelt sich ein wenig ins blumige, mit einem Hauch von Flieder.
Nase: Earl-Grey-Tee, Zitronengras, Ingwer, Flieder
Mund: Schwarztee, Zitronengras, Zitrone, Bergamotte
Auf der Zunge bemerkt man zunächst den Schwarzen Tee, mit einer leichten Bitternote, dazu gesellt sich recht schnell das Zitronengras, das auch im Abgang noch lange bestehen bleibt – wüsste man’s nicht, man würde aber wohl einfach sagen: das ist Zitrone. Auf den zweiten Schluck schmeckt man aber ganz klar die Bergamotte des Earl Grey heraus. Der Geschmack des EARL bebt noch lange auf der Zunge nach – schön.
The EARL Spirit pur und in Cocktails
Der Earl ist mit seiner starken Tee-Aromatik auf jeden Fall ein Kandidat für den puren Genuss, keine reine Mix-Spirituose. Zimmerwarm wirkt er erfrischend und aromatisch, gekühlt hat er einen Einschlag von selbstgemachtem Eistee, verliert aber deutlich an Aromen. Wer seinen puren The EARL Spirit ein wenig pimpen will, dem empfehlen wir einen Earl Old Fashioned: 6cl Earl mit einer Zitronenzeste, einem Spritzer Zuckersirup und 2, 3 Spritzern Orange Bitters auf Eis.
Earl als Mix-Spirituose einzusetzen, das ist dank des einzigartigen Geschmacksprofils sehr spannend. Auf der Webseite von The EARL Spirit finden sich einige Cocktail-Rezepte wie der Earl Basil Smash (ein Basil Smash mit Earl statt Gin) oder ein Earlock Holmes – im Wesentlich ein Earl Basil Smash mit Cola. Während Ersteres ziemlich schmackhaft und erfrischend daherkommt, war die Cola-Variante mittelschwer verstörend. Besonders beliebte Longdrinks mit dem Earl sind wohl der Spreegraf (The EARL Spirit + Bitter Lemon, Mix-Verhältnis 3:1) und die Kombi mit Ginger Beer (selbes Mischverhältnis). Vor allem der Spreegraf hat’s uns hier angetan – für uns schon jetzt ein kleiner Geheimtipp für den Sommer. Vielleicht der beste Bitter Lemon-Longdrink den es gibt. Allein schon, weil uns kein anderer guter einfällt. Deshalb wohl auch der inoffizielle Slogan des Spreegrafen: Make Bitter Lemon Great again!
Für unsere eigenen Experimente haben wir den Earl im Wesentlichen behandelt wie einen Tee: Haben uns Earl Grey MarTEAnis nach Audrey Sanders gemixt und einen Black Tea Gimlet – und waren in beiden Fällen leicht unterwältigt. Klassische Tee-Cocktails einfach mit Earl statt Tee mixen haute nicht so hin, wie wir das wollten. Eines unserer Experimente hat uns dann später aber so gut gefallen, dass wir es unbedingt mit euch teilen wollen:
Berlin Bourbon Smash
- 3 cl The EARL Spirit
- 3 cl Bourbon
- 1/3 Zitrone
- ca. 10 Blätter Minze
- 2 cl Honigsirup
Zitrone und Minzblätter im Shaker muddeln, restliche Zutaten und Eis dazugießen. Ordentlich shaken und doppelt in einen Tumbler voll Eis abseihen. Mit einem Minze-Zweig garnieren. Trinken.
Angelehnt ist das Rezept an einen klassischen Whisky Smash – nur eben mit The EARL Spirit und Honigsirup, weil der besser zum Tee passt als der langweilige Zuckersirup. Der Drink ist irre minzig, dabei aber schön herb und erdig. Honigsirup stellt ihr her, indem ihr 200 Gramm Honig und 100 ml Wasser in einem Topf unter Rühren erwärmt, bis die Masse homogen ist. Abkühlen lassen, dann ist das Zeug im Kühlschrank zwei Wochen haltbar – um es loszuwerden, müsst ihr halt mehr Berlin Bourbon Smash trinken.
Fazit: Der Earl ist pur schon ziemlich lecker, inzwischen auch ohne Eis. Dafür sorgt das Upgrade des Basis-Alkohols im Sommer 2017, das mit ihm deutlich anmerkt. Durch den einzigartigen Tee-Geschmack stehen uns hier aber in den nächsten Monaten bestimmt auch diverse Cocktail-Innovationen bevor. Wir freuen uns drauf.
Daten: 40%, um 25 Euro (Earl gibt’s hier zu bestellen), Deutschland
Die beiden sympathischen Herren von The EARL Spirit haben uns auf Nachfrage freundlicherweise eine Flasche ihres Spirits und zusätzliche Informationen bereitgestellt. Darüberhinaus haben sie aber zu keinem Zeitpunkt versucht, auf das Tasting oder den fertigen Artikel Einfluss zu nehmen. Vielen Dank für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit!
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