In 10 (oder mehr) Cocktails durch: Regensburg

10 Cocktails (oder mehr), eine Stadt, ein Abend. Diesmal in Regensburg.
10 Cocktails (oder mehr), eine Stadt, ein Abend. Diesmal in Regensburg.

Wir gehen in die Stadt. Was trinken. “Raus” halt! Für diese Artikelreihe ziehen wir los, um die Barkultur deutscher Städte an einem einzigen Abend zu erleben. Das ist nicht repräsentativ und nicht professionell, dafür aber echt. Es geht uns hier nicht um eine umfassende Bewertung oder darum DEN Bar-Guide für die jeweilige Stadt (heute: Regensburg) zu liefern. Nur um die Freude an ein paar guten Drinks in ein paar guten Bars.

Bei diesem Projekt können wir unmöglich jeden geilen Laden mitnehmen: Wir versuchen zwar, die besten, coolsten, hipsten oder neuesten anzusteuern, aber ganz sicher übersehen wir ein paar der wirklich spannenden Theken da draußen – oder unterschätzen die eine oder andere Bar. Also nehmt bitte kein Blatt vor den Mund, wenn ihr aus Regensburg kommt und euch auskennt: Wo hätten wir hingehen sollen, was haben wir verpasst? Wenn wir das nächste Mal unterwegs sind, schauen wir vorbei – versprochen. Aber jetzt erstmal die Frage: Wo sind wir hier überhaupt gelandet?

Was ist das, eine Regensburg?

Regensburg ist die Hauptstadt des bayerischen Regierungsbezirkes Oberpfalz und der Prototyp einer Studentenstadt: Hier wohnen 142.000 Menschen und davon sind 21.500 Studenten einer Universität, die aussieht, als hätte sie jemand mit schweren Depressionen aus grauen Legosteinen gebaut. Die Stadt an der Donau ist der einzig erwähnenswerte, größere Ort in der Oberpfalz und rühmt sich – wie jede andere Studentenhochburg auch – der höchsten Kneipendichte Europas. Daher kommt am Wochenende auch meist das gesamte Umland angefahren, um die Stadt einmal komplett leerzusaufen.

 

Versuche, den Abend auf Instagram live zu zeigen scheiterten an guten Gesprächen. Und Alkohol.
Versuche, den Abend auf Instagram live zu zeigen scheiterten an guten Gesprächen. Und Alkohol.

Die Kneipen sind ausgerichtet auf Studenten. Und die haben keine Kohle: Happy Hours, Caipis, Mojitos, Long Island Iced Teas und Zombies prägen das Bild, das man hier von einem Cocktail hat. “Regensburg hat aber auch Platz für gehobene Barkultur” finden einige Gastronomen und Bartender der Stadt und gründeten deswegen im Sommer 2015 die Bar-Illuminaten: Brüderlicher Austausch und gemeinsame Aktionen unter Leidenschaftsmenschen. Geile Idee, nur leider hat man außer einem Stand am Bürgerfest letzten Jahrs nicht mehr viel davon mitbekommen. Auch wenn die Initatiatoren nach wie vor regelmäßig Gesicht zeigen, beispielweise als Gastbarkeeper beim Brettwechsel.

In 10 Cocktails durch … Was macht ihr da eigentlich?

Für diesen Ausflug ziehen wir zu zweit durch die Stadt und steuern genau die Bars an, von denen wir uns hochwertige und spannende Drinks versprechen. “Wir” das sind zwei Jungs Anfang 30, Familienväter, von denen einer seit über 10 Jahren in Regensburg lebt und einer zumindest mal irgendwann für zwei Jahre da gewohnt hat. Wir sind da also durchaus regelmäßig unterwegs – nur nicht mehr so oft. Oder lang.

Für einen umfassenden Statusbericht über das Für und Wider eines Abends in Regensburg und supergeheime Geheimtipps müsst ihr euch also woanders umschauen. Aber darum geht’s uns auch gar nicht. Diese Artikelreihe ist eigentlich nur eine Ausrede, um immense Summen Geld für Schnaps rauszuwerfen. Der ausgefeilte Plan? Besteht aus einer Handynotiz mit drei Bars, in die wir auf jeden Fall wollten. Die Outfits: Wir sehen aus, als würden wir gleich irgendein Start-up pitchen. Die Attitüde: … haben Jungs so ein Körperteil überhaupt? Der Weg? Führt ins Marple & Stringer …

In 10 oder mehr Cocktails durch Regensburg : Marple & Stringer
In 10 oder mehr Cocktails durch Regensburg : Marple & Stringer

Cocktail 1 bis 4: Marple & Stringer

Am Regensburger Bismarckplatz ist im Sommer die Hölle los – hier hockt bei warmen Wetter die halbe Uni. Entsprechend gut hat sich das erst diesen Mai eröffnete Marple & Stringer positioniert. Das Bar & Deli bietet britische Küche, nur in gut: Eggs Benedict, frische Fish & Chips, Pulled Pork Sandwiches – sowas eben. Wer das jetzt kombiniert mit dem Straßenverkauf, der Cuba Libre und Aperol Spritz to go verkauft, erwartet erstmal alles – außer richtig geile Drinks.  Nur an der Karte vor der Tür sieht man dann eine kleine, aber feine Auswahl aus abgefahrenen Custom-Made-Sirup-Cocktails, rauchige Whisky-Drinks mit Kokosmilch und anderem Zeugs, die man so hier nicht erwartet.

Auf unserer Liste steht das Marple & Stringer, weil es neu ist und wir schon mal da waren. Sonst wären wir vermutlich einfach vorbeigelaufen. Wäre schade gewesen: Wer reinkommt, erlebt einen grotesk gut kombinierten Mix aus schwarzem Leder, Wirtshaus,  Kinosaal (an einer Wand sind Kinositze statt einer Bank – Hammer) und Altstadt-Kneipe. Und irre freundliches Personal. Wir platzieren uns auf einer schwarzen Ledercouch auf der kleinsten Bühne der Welt, in Armreichweite zur Bar.

Auf dem prominenten Sitzplatz halten uns die anderen Gäste für lebendige, Unsinn redende Einrichtung. Während wir noch debattieren, ob wir uns dafür bezahlen lassen sollen, wird die Bühne live vor unseren Augen mit schwarz-gelbem Signalband gesichert wird, damit keiner stolpert. Dabei erfahren wir auch: Ist gar keine Bühne. Ist eine Stufe. Schade. Dass der Laden noch im Aufbau ist, dass hier zu Beginn wohl nicht alles glattging, das spürt man ein bisschen. Stört aber gar nicht – weil die Belegschaft weiß, wie man ein bisschen Chaos mit ein bisschen mehr Offenheit und Freundlichkeit kompensiert. Und weil wir später noch einen Teller (leckerer) Fish & Chips gratis abgreifen, weil der Koch gerade neue Rezepte ausprobiert. Aber was gibt’s hier jetzt eigentlich zu trinken?

Die Drinks im Marple & Stringer

Auf der Karte stehen bei unserem Besuch genau sechs Drinks und mit Namen wie Orizaba oder Stringers Milk Punch sind die wohl weitab vom Massengeschmack – und auch weitab vom Cuba Libre to go. Einzig den Red Snapper kennt man: im Wesentlichen eine Bloody Mary mit Gin. Für die Zielgruppe ist das wohl zu skurril, laut der Chefin gibt’s wohl bereits Beschwerden, dass es keine “normalen” Cocktails gibt. Normal ist genau das, was wir nicht wollen – also starten wir mit einem Orizaba (Mezcal, Biersirup, Dubonnet, Ananassaft, Lavendel, Zitrone) und einem Red Snapper (Rosmarin-Gin, Provence-Tinktur, Tomatensaft, Zitrone, Sherry).

Die Tinkturen, Infused Gins und Sirups sind selbstgemacht. Der Mann hinter der Bar ist laut eigener Aussage zwar eine Weile aus der Übung, kam erst kurz vor Eröffnung zum Marple & Stringer – merkt aber keiner. Zugegeben: Als im Orizaba statt des angekündigten Mezcals Tequila landet, sind wir etwas missmutig. Genau dieser Cocktail ist es dann auch, der uns weniger begeistert. Handwerklich gut gemacht, lecker, blumig-fruchtig – aber im direkten Vergleich mit dem wuchtigen, aber gleichzeitig unglaublich fein austarierten Red Snapper leider blass.

Garniert mit Sellerie und Tomate bringt der Urvater der blutigen Marie genau die richtige Mischung aus Würze und mediterranen Aromen. Das Teil ist besser als fast alle Tomatensuppen, die wir jemals gegessen haben – aber halt mit Schnaps. Der Gin macht die ganze Sache blumiger, die Provence-Tinktur mit Kräutern und Heu, das man klar herausriecht, macht ihn erdiger und voluminöser. Daneben wirkt die Mischung aus Wodka, Tomatensaft und zwei Kilo Salz, die man in den umliegenden Bars bekommt, bemerkenswert lieblos.

Die zweite Runde

Zweite Runde: Cherry’s Darling (Wodka, Kirsch, Cranberry, Zitrone, Balsamico, Zucker) und Stringers Milk Punch (Rhum, Talisker Whisky, Zitrone, Kokosmilch, Rauch). Der Cherry’s Darling überrascht positiv: Anders als erwartet ist er kein Frucht-Tiger mit Umdrehungen, sondern ein fein abgestimmtes Konstrukt aus Säure, Süße und herben Noten. Sogar eine Mitmachkomponente gibt es: “Der Balsamico löst sich nicht sofort im Drink.” erklärt uns der Barkeeper. “Je nachdem wie stark du ihn umrührst,” das Holzstäbchen gleitet ins Glas, “ist er intensiver. Wenn du gar nicht umrührst, ist er im Wesentlichen Deko.”

Stringers Milk Punch und Cherry's Darling - Cocktails aus dem Marple and Stringers in Regensburg.
Stringers Milk Punch und Cherry’s Darling – Cocktails aus dem Marple and Stringers in Regensburg.

Noch spannender ist dann wohl nur der Stringers Milk Punch: Die Kombi aus Rhum agricole (Rum aus Zuckerrohrsaft statt Melasse, ist herber aber auch fruchtiger) und rauchigem Talisker-Whisky mit Kokosmilch ist eh verrückt genug, wird aber durch den Rauch nochmal ein gutes Stück abgefahrener. Der Cocktail ist mild-rauchig, aber vollmundig und anders – die Kombi ist neu, macht Spaß und schmeckt ein bisschen nach “in Schottland einen Film über die Karibik gucken” mit Milch.

Was stört uns, was lieben wir, was kostet das?

Jeder Cocktail im Marple & Stringer kostet exakt 8 Euro. Das ist für Drinks mit so vielen selbstgemachten Zutaten und mit so vielen eigenen Ideen absurd günstig – aber wohl der studentischen Klientel geschuldet. Für die möchte man die Cocktail-Karte in den nächsten Wochen auch noch erweitern. Zu den abgefahrenen Kreationen sollen dann noch “normalere” Cocktails dazukommen. Auch der Tequila im Orizaba ist wohl Teil dieses Konzepts – später entdecken wir, dass er in der neuen Karte auch so drinsteht. Nachdem einige Leute wohl gefragt haben, was Mezcal überhaupt ist.

Ein bisschen “mehr” schadet tatsächlich nicht. Finden wir gut. Aber bitte, liebes Marple & Stringer: Bleibt in Sachen Cocktails auf der Marple-Seite des Lebens – frech und unkonventionell, ein bisschen chaotisch – und macht uns nicht den braven Mr. Stringer, nur weil ein paar Leute lieber Caipis aus Pappbechern trinken als einen hammergeilen Red Snapper.

Im Storstad genehmigten wir uns uns die Cocktails 5 bis 8.
Im Storstad genehmigten wir uns uns die Cocktails 5 bis 8.

Cocktail 5 bis 8: Storstad

Die zweite Station unseres Cocktail-Abends führt uns ins Storstad. Ein Sternerestaurant mit asiatisch-deutscher Fusionküche und schwedischem Namen. Mit – natürlich, sonst wären wir ja nicht hier – einer Bar. Das Ding ist das genaue Gegenteil vom Marple and Stringer, was Bekanntheit, Lage und Ausrichtung angeht: Gelegen in einer Seitenstraße in einem Wohnhaus, erreichbar nur über einen Aufzug. Drinnen durchgestylt von vorne bis hinten, aber dabei schlicht – von der Graffiti-Wand mit der Toiletten-Geheimtür mal abgesehen (kein Scheiß, die siehst du nicht!).

Als wir reinkommen – ich geb’s zu – sind wir fast schüchtern. Was, wenn man unseren schicken Anstrich durchschaut? Was, wenn einer auf uns zeigt und brüllt: “Guck dir die komischen Typen an, die sind nur zum Saufen da!” War natürlich nicht so. Auf eine unglaublich herzliche Begrüßung folgt ein kurzer Ausflug auf die atemberaubende Terrasse, von der man zumindest in Regensburg schon gehört hat: Fantastische Aussicht über die Dächer der Stadt, irre gemütliche Sitzgelegenheiten und eine Außenbar, die aber leider noch geschlossen war. Also wieder rein, direkt an die Bar. Der erste Blick geht auf die Karte: 8,50 für das günstige Barfood-Gericht, Cocktails zwischen 10 und 12 Euro. Hätten wir uns in einem Sterneschuppen jetzt teurer ausgemalt.

Was gibt’s hier zu trinken?

Die Bar ist ungelogen 1,50 Meter breit, Schnaps und Zutaten in der Mitte aufgebaut und aneinandergereiht – deswegen kommt einer der beiden Barkeeper auch außenrum zu uns. Mit einer Schale (kein Schälchen: Schale!) des leckersten Popcorn, das jemals jemand zubereitet hat und stillem Wasser mit Kamille-Orangen-Aroma. Selbstgemacht natürlich, beides. Noch vor unserer ersten Bestellung fühlen wir uns ein bisschen verwöhnt. Apropos Bestellung: In der ersten Runde gibt’s einen Alarmed Bison und einen Matanuki.

Der Alarmed Bison kommt mit Büffelgraswodka, Birnenpüree, Zitronensaft und selbstgemachtem Chili-Nelken-Zimt-Sirup daher, als Garnitur Birnenspalten. Das Ding hat ein Aroma, dass dir der Hut wegfliegt – der Sirup geht geschmacklich und olfaktorisch voran, klar – aber in Kombi mit Birne und dem leichten, frischen Bisongraston ist dieser Drink ganz großes Kino. Der Matanuki mit Jasminteewodka, Sake, Lycheelikör, Cranberrynektar, Limettensaft und Lima Juice ist lecker – hat aber das gewaltige Problem, dass das Bison nebendran zwei Liegen weiter oben spielt, was Raffinesse und Intensität angeht.

Die zweite Runde im Storstad

Als wir die zweite Runde bestellen (und dazu frisches Wasser und mehr Popcorn bekommen – Service, Alter!), werden wir freundlich gewarnt: Diese Bloody Mezcal Mary, die sei schon verdammt rauchig. Finden wir gut. Zumindest einer von uns. Der andere wird sich in exakt vier Minuten über den fürchterlichen Geruch beschweren, während er an seinem Yellow Bamboo (Kubanischer Rum, Vanillelikör, Rohrzucker, Limette, Mangopüree und Orangensaft) nippt.

Den Yellow Bamboo hatten wir bestellt, weil wir noch etwas in Richtung des Alarmed Bisons erleben wollten – und auch wenn der Bamboo lecker war, fällt er im direkten damit deutlich ab. Der Bamboo ist deutlich weniger fein und raffiniert. Das sind zwar Sachen, die man an dieser Stelle auch der Bloody Mezcal Mary vorwerfen könnte (eine Bloody Mary mit rauchigem Mezcal statt Wodka) – aber die wurde auch nicht für Fans filigraner Aromen gemixt. Am besten beschreibt man sie mit der Originalreaktion: “Woah! Woah, Fuck. Woahahahaha. Boah. Alter! Ich verreck. Krass. Genau meins.” Klartext: Wer auf Rauch und scharfes Essen steht, wird diesen Cocktail lieben. Wer nicht auf Rauch steht,  sollte sich wenigstens drei Meter von jedem wegsetzen, der dieses krasse Zeug säuft.

Warum ins Storstad?

Vier Cocktails auf hohem Niveau und davon zwei so intensiv und kraftvoll, dass wir noch jetzt daran arbeiten, sie zu Hause nachzubauen (Alarmed Bison-Rezept coming soon!). Guter Schnitt. Vor allem, wenn man den fantastischen Service bedenkt: Das Storstad strahlt Luxus aus und lässt die Gäste Luxus erleben, aber wirkt in keiner Sekunde abgehoben oder elitär, sondern stattdessen ehrlich, offen und herzlich. Das alles bei fairer Preispolitik und mit einer Terrasse, auf der man zum Sonnenuntergang Liebe machen will. Mit oder ohne Mezcal Mary.

Für einen Wodka Martini und einen Jamaican Julep schauen wir in die Barock Bar.
Für einen Wodka Martini und einen Jamaican Julep schauen wir in die Barock Bar.

Cocktail 9 & 10: Barock Bar

Die Barock Bar ist ein Ort, den wir schon lange besuchen wollten: Hammer-Bewertungen wohin man schaut, mit dem Vodrock Vodka eine eigene, prämierte Spirituose, Cocktailkurse und dank vieler eigener Infusionen und toller Ideen eine Bar, auf die man sich im Vorfeld freut. Auch der Cucumber Frog stammt von hier. Die Bar selbst ist vergleichsweise klein, aber irre schick, ein altes, modernisiertes Gemäuer mit klarem Fokus auf dem quadratischen Tresen. Die Bartender irre freundlich und offen, die Preise mit 10 bis 15 Euro pro Drink im normalen Rahmen.

Doof nur: der halbe Laden ist praktisch leer, als wir vorbeischauen, die sympathischen Leute hinter der Bar wirken fast schon ein wenig verloren, als wir fast 10 Minuten brauchen, um uns durch die angemessen große Karte zu lesen und uns für zwei Drinks zu entscheiden. Die Wahl fällt auf einen Jamaican Julep (Rum, Falernum, Bitters, Minze, Vanille), einen Tiki-Drink und einen der Signature Drinks des Hauses: dem The Rock – ein Martini mit Dandelion und Teapot Bitters, dem hauseigenen Vodrock Vodka und Wermut.

Die Drinks in der Barock Bar

Der Jamaican Julep kam in einem Longdrink-Glas und schmeckte wie ein – zugegeben: ziemlich guter – Mojito. Aber von Jamaica und Falernum schmeckten wir leider nicht all zu viel. Der The Rock dagegen war für einen Vodka Martini durchaus aromatisch – sehr zitronig vor allem, vollmundig. Aber bei einem Preis von 12 Euro und gleich zwei verschiedenen Bitters (beide je Fläschchen über 30 Euro, daher wohl der Preis) hätten wir uns mehr erwartet. Ob die Wäscheklammer an der Zitronenzeste jetzt eine charmante Idee war oder ein Ausbruch an Deko-Hilflosigkeit, wissen wir nicht. So richtig passen mag sie in das Craft-Ambiente der Barock Bar nicht.

Wir wissen nicht, ob’s dran lag, dass unser Barkeeper wohl gerade nicht so viel zu tun hatte (Torwart-Syndrom?), ob wir uns einfach mit den letzten acht Drinks in Regensburg die Geschmacksnerven geschrottet haben oder ob wir einfach die falschen Drinks bestellt haben. Das Special der Woche war ein Canadian Breakfast mit Pancake fatwashed Canadian Whiskey. Also ein Whiskey, in dem man Pfannkuchenfett eingelegt hatte, in einem Cocktail mit Ahornsirup und Ahornbitters. Vielleicht hätten wir an diesem Abend lieber das probieren sollen.

Warum in die Barock Barock?

Die Location: geil. Die Bartender: supernett. Der Anspruch und die Preise: im Vergleich zu den meisten anderen Bars Regensburg hoch, mit Blick auf die eingesetzten Produkte aber fair. Die Drinks selbst dagegen wollen irgendwie nicht so recht auf’s Gas treten. Nicht falsch verstehen: “Lecker” war’s schon. Aber bei den Bewertungen und dem, was wir an dem Abend schon an guten Cocktails hatten, hätten wir uns mehr erwartet als “lecker”. Wir können’s uns ehrlich gesagt nicht so ganz erklären – und schauen deshalb zeitnah mal wieder vorbei in der Regensburger Barock Bar.

In 10 Cocktails durch Regensburg? Von wegen! Drink Nummer 11 und 12 gibt's im Klein Ka5per.
In 10 Cocktails durch Regensburg? Von wegen! Drink Nummer 11 und 12 gibt’s im Klein Ka5per.

Cocktail 11 & 12: Klein Ka5per

Das Ka5per wirft Fragen auf, vor allem, wenn man nicht aus Regensburg kommt. Frage 1: Wie spricht man das aus? “Kasper”, wenn man sagen will, wie die Bar heißt. “Kasch-pa”, wenn man nicht möchte, dass einen die Oberpfälzer komisch angucken. “Ka-Five-per”, wenn man zum Ausdruck bringen möchte, dass die Schreibweise bescheuert ist. Frage 2: In welches gehen wir? Das klassische Ka5per ist eine Kneipe direkt im Herzen der Altstadt: mittelgroß, überfüllt, viele, günstige Cocktails.

Ein guter Laden, um im Laufe einer feuchtfröhlichen Nacht mal vorbeizuschauen. Aber irgendwie nicht das richtige, um im Rahmen dieses Artikels hinzuwandern. Das Klein Ka5per dagegen setzt auf lauschige Atmosphäre, Live-Musik und hochwertige, kreative Drinks. Also hin da! Als wir ankommen, geht’s auf Mitternacht zu und in Regensburg  ist das die Zeit, in der man langsam weiter zieht. In die Disco, an die Donau, auf irgendeine Party. Entsprechend leer ist es hier, die Band packt gerade zusammen. Die Bar in grünes Licht getaucht, ein kleiner offener Raum. Trotzdem herrscht keinerlei Aufräum-Hektik, keine “Menno, doch noch wer?!”-Stimmung. Der Barkeeper freut sich, dass er noch was zu tun bekommt, ist irre freundlich – und wir machen da weiter, wo wir in der Barock Bar aufgehört haben.

Die Drinks im Klein Ka5per

Noch immer auf einer emotionalen Zwischenstufe zwischen traumatisiert und begeistert von der Bloody Mezcal Mary bestellen wir uns einen Mezcal Mule; im Prinzip ein Moscow Mule mit Mezcal statt Wodka. Anders als im Storstadt kommt hier aber kein brutales Rauchmonster zum Einsatz sondern eine gemächlichere Variante. Man schmeckt das mexikanische Biest noch immer heraus, selbst unter all dem Ginger Beer – aber der Drink wirkt trotz aller Würze freundlicher als die rote Gefahr. Die Anrichteweise im Kelch mit dem breiten Gurkenfächer ist dazu noch ziemlich schick. Fazit: Super Drink!

Willhelm Tell und Mezcal Mule sind unsere Drinks der Wahl im Regensburger Klein Ka5per.
Willhelm Tell (vorn) und Mezcal Mule sind unsere Drinks der Wahl im Regensburger Klein Ka5per.

Dazu gab’s einen Willhelm Tell – und das ist jetzt der Teil, für den wir uns ein bisschen schämen: Wir wissen, dass der lecker war – irre fruchtig, irre erfrischend und randvoll mit Gurken. Aber wir haben die Karte nicht fotografiert. Uns keine Notizen gemacht. Und die Willhelm Tell-Rezepte im Netz haben außer Apfel-Schnaps, -Saft oder Cider irgendwie so gar nichts gemeinsam. Ergo: Wir wissen nicht, was drin war in diesem Cocktail. Und wir wissen auch nicht mehr, was wir gezahlt haben. Und weil das Klein Ka5per keine Online-Karte hat, können wir auch nicht nachschauen. Sorry. War das erste Mal, kommt nicht wieder vor. Schreit halt nicht gleich!

Warum in’s Klein Ka5per?

Wir sind in dieser Artikel-Reihe über die Bars von Regensburg an dem Punkt, an dem vielleicht klar wird, warum wir keinen kompletten Überblick geben oder eine finale Bewertung aufrufen wollen: Zwei Drinks in einer Bar, die praktisch schon geschlossen war – schwierig, da eine objektive Einschätzung abzugeben. Aber das ist das Schöne an “In 10 Cocktails durch …”: wir sind so subjektiv, wie wir wollen. Und ganz subjektiv ist das Klein Ka5per eine gemütliche Bar mit spannenden, gut gemixten Drinks und mindestens(!) einem verflucht netten Bartender, der weiß was er tut. Kann man mal wieder hin – das nächste Mal dann auch ein, zwei Stunden früher.

In der Wunderbar in Regensbrg genehmigen wir uns die Cocktails Pimm's Cup und Hauzenberger Gwasch.
In der Wunderbar in Regensbrg genehmigen wir uns die Cocktails Pimm’s Cup und Hauzenberger Gwasch.

Cocktail 13 & 14: Wunderbar

Das große Finale unserer Tour „In 10 Cocktails (oder mehr) durch Regensburg“ haben wir uns bewusst offen gehalten. Haben absichtlich nicht gesagt: „Dann lassen wir den Abend doch im XY ausklingen.“ Wir wollten schauen, wo wir landen, wenn wir uns einfach nur gemütlich durch die Bars trinken. Wir landeten da, wo jeder in Regensburg beinahe zwangsläufig landet, wenn er irgendwann nach Mitternacht noch einen guten Drink will: in der Wunderbar.

Ein Kellergewölbe, das von außen kaum vertrauenswürdig wirkt, das Eintritt verlangt, um Sperrzeiten zu umgehen und dessen Toiletten aussehen wie … Naja, jedenfalls nicht wie die Toiletten eines Ortes, der sich „The art of cocktail“ auf die Fahne schreibt. Und doch ist diese kleine verschachtelte Bar nicht nur einfach Kult sondern Magie: Hier treffen sich Erstsemester, Menschen, die gerade aus der Oper kommen, gescheiterte und weniger gescheiterte Künstler. Und genau in die Mischung laufen wir hinein, als wir uns an die Bar setzen.

Die Drinks in der Wunderbar

Schon vor 15 Jahren, als die Cocktail-Kultur gerade erst aus dem Urlaub zurückkam, gab es in der Regensburger Wunderbar eine gewaltige Cocktail-Karte mit Klassikern und modernen Twists. Deswegen fanden wir’s besonders schade, dass die umfangreiche Karte entgegen dem Trend auf zwei quadratische Seiten mit Klassikern zusammengedampft wurde, ergänzt um Cocktails des Tages. Wir entscheiden uns für das beste aus zwei Welten: Einen Pimm’s Cup und ein Hauzenberger Gwasch. Letzterer ist eine Eigenkreation und benannt nach dem Heimatort der Hauptzutat: Blutwurz. Gwasch ist Dialekt für dummes Geschwätz.

Die Zutatenkombination vom Hauzenberger Gwasch klingt für den Außenstehenden vielleicht sonderbar: Basilikum, Blutwurz, Blue Curacao und Triple Sec, Apfelsaft, Ginger Beer. Aber Blutwurz sollte eh in mehr Cocktails drin sein – vor allem hier in Regensburg, der Hauptstadt der Oberpfalz, aus der der Blutwurz kommt. Und Kreizkruzefix, des war fei gut, des Gwasch. Der Pimm’s Cup ist bekannt: Pimm’s No.1, frische Früchte, Ginger Ale – im Prinzip eine Bowle, aber eine erfrischende und leichte. Die Wunderbar trifft den Drink herausragend gut: Lecker, irre fruchtig, frisch – nur Erdbeeren haben uns gefehlt. Die wären Ende Mai aber eigentlich schon drin gewesen.

Warum in die Wunderbar?

Die Wunderbar ist in Regensburg die optimale Absacker-Kneipe, sofern man vom Leben mehr erwartet als abgestandenes Weizen (übrigens, wer drauf steht: in der Wunderbar gibt’s wechselnd Craft-Beer): Sie hat länger offen als der Rest, liegt zentral und macht ziemlich gute Cocktails zu fairen Preisen. Für „The art of cocktails“ fehlt uns ein bisschen Chi-Chi. Aber ganz ehrlich: Wir würden viel lieber den Slogan verändern als die Bar. Denn die Wunderbar ist gut, genau so wie sie ist.

Das große Finale

Unsere kleine Cocktail-Reise durch Regensburg ist beendet und wir schon lange wieder daheim. Wir haben grandiose Anregungen mitgenommen – Artikel zum Alarmed Bison aus dem Storstad und ein Twist vom Hauzenberger Gwasch sind in der Mache. Wir hatten irre viel Spaß – selbst wenn ein Cocktail mal nicht ganz so gut war, haben’s die fantastischen Bartender mit ihrer Gastfreundlichkeit rausgerissen. Wir kommen also wieder – ganz sicher.

Als nächstes geht’s aber nach München – wo wir nicht ganz so ortskundig sind. Daher die Frage an euch: Abgesehen von Must-Haves wie der Goldenen Bar oder dem Zephyr, was muss man in der bayerischen Hauptstadt gesehen oder besser: getrunken haben?

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Johann

Cocktailbarts Archmage of Content bei Nacht, Familienvater & Texter bei Tag. Lieblings-Drink Martini, Lieblings-Spirituose trotzdem Rum. Wohnt in Franken, kommt aus der Oberpfalz (ist beides in Bayern, tschuldigung). Typischer Satz: "Meinste das wär geiler, wenn man Olivenlake reintut?"

Ein Kommentar

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  • Sehr informativ geschriebener Artikel und schöne Bilder! Ich wohne ebenfalls seit einigen Jahren in Regensburg, aber kannte noch nicht alle aufgelisteten Etablissements. Diese kann ich nun, dank des Beitrags, mit meinen Freunden abarbeiten. Mal schauen ob eine Bar an unseren bisherigen Favoriten, das Storstad, herankommt.

    Mit freundlichen Grüßen,
    Christian