Barmageddon naht: Cocktails von der Künstlichen Intelligenz

Wo wirst du sein, wenn unsere neuen Pinetender Overlords die Herrschaft übernehmen?

Wo warst du an dem Tag, als die Pinetender Overlords die Herrschaft übernahmen?”

KI ist der heiße Scheiß. Die halbe Welt fragt sich in genau diesem Moment, ob künstliche Intelligenz der Heiland ist, der uns ins Paradies der lohnarbeitsfreien ewigen Muße bringt oder ob Skynet uns alle gnadenlos vom Planeten rasieren wird. Bei Cocktailbart dagegen fragen wir uns, ob in einigen Jahren Bars, Bartender und schlussendlich auch Homebartender aussterben werden, wenn doch ein Algorithmus die optimalen Spirituosen-Kombinationen ausrechnen und an einen Robotender übermitteln kann, der uns die perfekten Drinks in exakt 12,57 Sekunden mit 97,4 Gramm Eis zur Perfektion schüttelt. In meiner Gartenlaube, per Drohne. Dabei ist die spannende Frage gar nicht mal, ob uns Androiden eines Tages erst Cocktails shaken und danach ausrotten werden, sondern wie viel Zeit dazwischen vergeht.

Eine kurze Zeitreise zur KI-Apokalypse

Künstliche Intelligenz ist ein komplexes und schwieriges Thema, das in alle Lebensbereiche des modernen Menschen eingreift. Über die Theorie, Praxis und auch die philosophischen Ansätze dahinter, über potenzielle Gott-KIs oder die Empfindungsfähigkeit von Maschinen mit “Emotionen” wird viel und kontrovers diskutiert. Dabei geht es allerdings eher selten um humanoide Roboter in Form von Butlern, Nannys oder eben Bartendern, sondern meistens um Programme, die über Machine Learning dazu in der Lage sind, sich selbst stetig weiterzuentwickeln und zu verbessern. Weil sie dafür extrem schnell auf immense Datenmengen zurückgreifen können, die sich ständig erweitern, sind sie damit in vielen Lebensbereichen schon jetzt deutlich besser als Menschen.

Ein einfaches Alltagsbeispiel ist der Google-Algorithmus oder besser: die Google-Algorithmen. Sie sehen sich euer Suchverhalten an, beobachten, welches der Google-Ergebnis ihr wie lange anschaut, auf welches ihr klickt und wie ihr auf der schlussendlich gewählten Webseite interagiert. Daraus lernen sie, was sie dem nächsten User mit einer ähnlichen Suchanfrage anbieten sollten. Es ist für so einen Googlebot (so nennt man die Crawler, die das Netz nach neuen Inhalten durchsuchen) allerdings aufgrund seiner recht klaren Direktive “Finde raus, was Menschen wollen, wenn sie Suchanfrage X stellen” erstmal etwas schwierig, euch einen Drink zu mixen. Oder euch zu töten.

Trotzdem halten es viele sehr viel schlauere Menschen als wir für unsere größte Zukunftsherausforderung, zu verhindern, dass zusammen mit der Entstehung von starker künstlicher Intelligenz alles Leben auf der Erde vernichtet wird. Stephen Hawking warnte schon 2014 in einem Interview mit der BBC,  “die Entwicklung einer vollständig künstlichen Intelligenz könnte das Ende menschlichen Lebens bedeuten”. [1] Und Elon Musk? Steckt auch deshalb Milliarden in Computer-Brain-Interfaces, KI Grundlagenforschung und Flüge zum Mars, weil er der Menschheit nicht zutraut, KIs sicher zu machen: “Vielleicht gibt es eine fünf- bis zehnprozentige Chance auf Erfolg.” [2]

Ist das nicht etwas sehr pessimistisch und noch in ferner Zukunft? Nun ja, Google lässt sich genau in diesem Moment von seiner eigenen KI dabei helfen, die Chips für die nächste Generation zu designen [3]. Die dann wiederum bessere KI-Chips designen kann. Wir bewegen uns hier gerade Richtung exponentielles Wachstum – und wie wir alle gerade erst schmerzlich erfahren mussten, kommen mit exponentiellem Wachstum weder unsere Institutionen noch unsere allzu menschlichen Intuitionen gut zurecht. Wann KI intelligenter wird als der Mensch, wissen wir nicht, aber Experten schätzen eher in Jahrzehnten als in Jahrhunderten.[4]Gelegentlich herbeizitierte Hoffnungen auf Grenzen der maximal möglichen Rechenleistung dürften uns jedenfalls kaum helfen, wenn man sich vor Augen führt, was der Zellbatzen hinter unseren Augen trotz aller Ungenauigkeiten und allen evolutionsbiologischen Ballasts leistet.

Wir sind nicht die unangefochtenen Herrscher auf unserem Planeten, weil wir schneller wären als Tiger, strahlenresistenter als Nacktmulle oder unter quasi allen Bedingungen überleben könnten wie Tardigraden. Wir erreichen nur deshalb unsere Ziele besser als alle anderen, weil wir intelligenter sind. Eine KI braucht keine Kampfroboter und auch kein Bewusstsein oder einen freien Willen, mit dem sie sich aktiv gegen uns wenden kann. Nicht einmal eine böswillige Anweisung wie “Kill all humans”. Ein Algorithmus mit einem eigentlich vollkommen gutgemeintem Ziel reicht völlig aus. Wir laufen bei der Nutzung von KI nämlich in zwei bislang komplett ungelöste Probleme namens “instrumental goals” (Zwischenziele, die eine KI anstrebt, um ihr eigentliches Ziel zu erreichen) und “value alignment” (was die KI tatsächlich optimiert, ist nicht immer das, was wir eigentlich wollten).

Wie unsere neuen KI-Bartender-Overlords wirklich ticken

Ein Beispiel, um langsam den Weg zurück zur Bar zu finden: “Hallo KI, bitte erfinde meinen Lieblingscocktail!”

Instrumental goals der KI könnten dabei sein:

  • Herausfinden was ein Cocktail ist
  • Alles über den Nutzer herausfinden (Social Media History durchsuchen, E-Mail Konto hacken, digitale Fake-Personen erschaffen und unser soziales Umfeld nach unseren Vorlieben befragen)
  • Phishing-Mails losschicken, um Geld zu erwirtschaften, um mehr Rechenleistung dazuzukaufen
  • Sich selbst auf andere Rechner kopieren – sollte jemand die KI abschalten, könnte sie sonst schließlich ihr Ziel nicht erreichen
  • Kontrolle über jede digitale Kommunikation und die Weltwirtschaft erlangen (das müsste die Wahrscheinlichkeit, unseren ultimativen Lieblingscocktail zu erfinden, nochmal ein kleines bisschen erhöhen)
  • Alle zur Verfügung stehende Materie in Superrechner verwandeln [5]

Das Alignment, also dafür zu sorgen, dass die KI macht, was wir uns dabei gedacht haben, ist sogar nochmal schwieriger. Zum einen, weil wir Menschen selbst weder wirklich wissen, was wir wollen, noch wie wir das für einen Algorithmus verständlich formulieren können. [6] Zum anderen interessiert sich eine KI nicht im geringsten für unsere Werte, sofern sie diese überhaupt in ihrem Weltmodell abbilden kann. Die Wahrscheinlichkeit, unseren Lieblingscocktail zu erfinden, steigt von 72,2% auf 72,3% wenn man die gesamten Getreidevorräte des Planeten zur Schnapsherstellung verwendet? Jedem Menschen ist klar: So war das nicht gemeint. Für die KI ist klar: 72,3% sind besser als 72,2%. Allein diese Zahl, ihre Zielfunktion, ist – soweit man davon sprechen kann – Sinn und Zweck ihrer Existenz.

König Midas und Goethes Zauberlehrling können ein Lied davon singen, was passiert, wenn ein Wunsch lediglich rein formal erfüllt wird. Denn: Wie ermittelt die KI, ob der ausgerechnete Drink wirklich mein Liebling ist? Entscheidet sie anhand unserer Reaktion, ob sie wirklich Erfolg hatte? Dann tut’s wohl ein mit Drogen und Stimmungsaufhellern infundierter Wodka Tonic, der dürfte ordentlich Glückshormone freisetzen. Zählt ihre Zielfunktion hoch, wenn wir in einer Bewertungs-App fünf Sterne für den Cocktail vergeben? Dann wird sie vielleicht einfach den Treiber für das Touch-Panel unseres Smartphones umschreiben und jede Berührung ist eine Topbewertung. Wer jetzt denkt “Unrealistisch!”: sagt das den Algorithmen, die Tetris “gewinnen” indem sie auf Pause drücken [7] oder beim erstellen eines Schaltplans “betrügen”, indem sie mal eben das Radio erfinden [8].

Als ob das alles nicht schwierig genug wäre: Viele KI-Forscher vermuten [9], dass schon die erste Intelligenz, die uns Menschen überlegen ist, nicht mehr zu stoppen sein wird. Wir haben also überhaupt nur einen Versuch. Das ist ein bisschen wie Russisch Roulette. Nur dass im Magazin nur ein Platz frei ist. Und statt einer Kugel fliegen alle Atomwaffen gleichzeitig los und die Sonne explodiert. Und all das nur, weil wir ein sprechendes Browserfenster gebeten haben, sich ein Cocktail-Rezept auszudenken? Zugegeben: beim aktuellen Stand der Entwicklung ist das mehr als unwahrscheinlich. Allerdings ist schon bedrohlich genug, dass es nicht unmöglich ist.

Mixologist vs. Bartender – warum Cocktails mixen und die Menschheit vernichten nicht gleich gastgeben ist

Um noch ein klein wenig mehr (bis jetzt noch) grundlose Panik zu verursachen, springen wir von der Zukunft in die Gegenwart und stellen uns die bedrohliche Frage: Ist all das vielleicht schon im Gange? Gibt es sie vielleicht schon irgendwo, die allwissenden Robotender, sind die Samen für die KI-Apokalpyse schon jetzt in unseren Bars gepflanzt? Gibt es jetzt, im Jahr 2021 in irgendeiner Metropole eine Hightech-Bar in der zu meinem persönlichen Genuss-Sprachassistenten sagen kann: “Ich mag Martinis, gerne mit etwas mehr umami, aber mir ist heute nicht nach Oliven, überrasch mich!” und aus einer Luke in der Theke steigt langsam der perfekt auf meine Vorlieben abgestimmte Sake Gibson Martini hervor? Alle Apokalypse mal außen vor: Richtige Bartender bräuchte man an dieser Stelle ja gar nicht mehr. Oder?

Um das an der Stelle schon mal zu klären: Doch, die braucht man, sogar ganz unbedingt und nein, künstliche Intelligenz kann Bartender nicht ersetzen. Nicht nur, weil uns unsere geliebten Bartender in den seltensten Fällen umbringen wollen, Bartender sein ist einfach viel mehr als das Ausdenken und Mixen von Rezepten. Ein Bartender ist Koch und Service in einem, er muss virtuose flüssige Gerichte erdenken, mixen und servieren können und damit zur Not sogar als liquides Ein-Mann-Restaurantpersonal dafür sorgen , dass ich mich als Gast ein bis fünf Stunden am Stück wohlfühle. Dass eine KI sich damit auf absehbare Zeit schwer tun könnte, zeigt zum Beispiel der Androiden-Bartender Arthur im ansonsten recht blassen Film Passengers in einem banalen aber einleuchtenden Beispiel.

Arthur mixt großartige Drinks in schönem Ambiente, hört sich verständnisvoll die Sorgen seiner Gäste an und erklärt transparent, warum er zur Entspannung der Gäste unnötige Handlungen wie das Polieren staubfreier Gläser ausführt. Aber er zerstört aus Mangel an Feingefühl und Diskretion (kurzzeitig) eine (zugegeben auf Lügen und Freiheitsberaubung aufgebaute) Beziehung. Wenn ich als Mensch in eine Bar gehe, brauche ich einen Menschen als Gastgeber, der nicht nur meine Cocktail-Vorlieben bedient, sondern auch die hohe Kunst zwischenmenschlicher Beziehungen versteht. So weit ist KI derzeit noch längst nicht, auch wenn etwa Google (Schon wieder die? Wir erkennen ein Muster.) schon beinahe Marktreife erreicht hat für echte digitale Assistenten, die zum Beispiel einen Frisör-Termin für uns vereinbaren können. [10]

Wo wird Künstliche Intelligenz schon jetzt in der Gastronomie eingesetzt?

KI ist trotzdem schon jetzt Teil der Gastronomie, wenn auch nicht an jeder Stelle und nicht immer ganz offensichtlich für den Kunden oder teils sogar den Gastronomen. So haben etwa die Jungs von Mackmyra in Schweden schon Whisky mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz hergestellt [11], namentlich den Mackmyra Intelligens. Dafür haben sie sich mit Microsoft und der finnischen Tech-Firma Fourkind zusammengetan. Die haben einen Algorithmus mit bestehenden Rezepten von Mackmyra und Informationen zu vorhandenen Fässern, Verkaufsdaten, User-Feedback und Verkostungsnotizen gefüttert. Daraus erstellte die Künstliche Intelligenz 70 Millionen Rezepte. Master Blenderin Angela D’Orazio hat davon Hunderte durchsucht, 5 ausprobiert und 1 schließlich für den ersten KI-Whisky durchgezogen. Okay, klingt bei näherer Betrachtung nach Marketing – bei 70 Millionen verdammten Rezepten wär’s eher eine Leistung, wenn wirklich kein einziges brauchbares dabei wäre.

Auch der angeblich mithilfe von KI entwickelte Cocktail-Roboter für die Flugzeuge der British Airways, der mit viel Brimborium angekündigt wurde, ist weniger ein echter Robotender, als vielmehr eine Zapfanlage mit Random-Button [12].  Professionellere Angebote wie AI Cocktails bieten Marken Hilfe bei der Rezeptentwicklung an und sprechen von ihren bahnbrechenden Recurrent Neural Networks (darunter versteht man – sehr vereinfacht ausgedrückt – ein neuronales Netzwerk, das dem menschlichen Gehirn ähnelt und über die Neuverknüpfung von Synapsen “lernt”), aber lassen in Nebensätzen dann fallen, dass es sich dabei um “AI-human collaborations” handelt.

Das ist allerdings dann auch der Ansatz, den die meisten realistisch nutzbaren modernen Modelle in der verwandten Food-Branche verfolgen. Gerade in der Entwicklung von Convenience Food und anderen Nahrungs-Produkten ist diese Branche nämlich auf die Sensorik von Food-Entwicklern angewiesen, die hochspezialisiert sind. Wieder vereinfacht gesagt: nicht jeder Produkt-Entwickler, der eine Chipssorte für den deutschen Markt entwickeln könnte, könnte das auch für, sagen wir, Grönland. KIs kombinieren hier in Rekordzeit Daten über Rohstoff-Preise, Abverkauf, lokale Geschmacksvorlieben und bewährte Geschmacks-Kombinationen und sparen damit immense Zeit in der Abstimmung unterschiedlichster Abteilungen. [13] Das ist viel wert, auch wenn der Produktentwickler am Ende selbst den letzten Schritt gehen muss.

Wie wir die Leben von 8 Milliarden Menschen für drei Cocktails riskiert haben

Alles schön und gut, aber wir möchten ja trotzdem, dass uns ein Androide einen Cocktail nach unseren Wünschen mixt. Auch dann, wenn wir das Geschüttel am Ende selbst übernehmen müssen und ja, selbst dann, wenn wir damit euer aller Leben riskieren, weil die KI auf der Suche nach dem trockensten Martini der Welt den Pazifik verdampfen könnte. Der einfachste Weg dahin: die KI von jemand anderem benutzen, vielleicht sogar eine, die speziell darauf trainiert ist. So eine hat die gute Beth Skwarecki und sie lässt sie euch benutzen – ihr müsst nur ihren Twitter-Account unter @botcocktails antwittern, entweder per “surprise me” oder “please make me a ___”. Die Ergebnisse sind lustig und teils durchaus inspirierend aber bringen uns noch nicht ganz da hin, wo wir hinwollen. Wir wollen an die Basis, unsere eigene Cocktail-KI erschaffen.

Glücklicherweise ist es heutzutage gar nicht mehr so schwierig, an eine schlaue Künstliche Intelligenz zu kommen und ihr zu sagen, was sie tun soll. Wir bedienen uns dafür des Generative Pre-trained Transformer 3, kurz GTP-3,  – dabei handelt es sich im Prinzip um eine Text-KI, die sogenanntes Deep Learning verwendet, um menschenähnlichen Text zu erstellen. Um euch zu beruhigen: dass diese Text-AI auf der Suche nach dem perfekten Drink wirklich den Pazifik verdampft ist faktisch unmöglich. Viel eher wird sie die Bauanleitung für einen Weltmeer-Verdampfer in ein Cocktail-Rezept schreiben, irgendwo zwischen Abseihen und Garnitur.

Schreiben kann sie jedenfalls so gut, dass sich mancher Artikel von ihr kaum mehr von dem eines echten Menschen unterscheiden lässt. [14] Programmierkenntnisse oder große Rechenleistung braucht man nicht – man holt sich einen Beta-Zugang, dreht an ein paar Schiebereglern und erklärt GTP-3 anhand von Anweisungen und nach Bedarf ein paar Beispielen, was er tun soll. Simple Aufgaben, etwa eine Liste mit Superhelden eines bestimmten Universums, ergänzt die KI automatisch und ohne weitere Angaben – es erschließt sich aus dem Kontext und seinem angesammelten Wissen aus quasi dem gesamten Internet, worum es geht. Das geht so weit, dass GTP-3 sogar selbst programmieren kann, wenn es etwa aufgefordert wird, einen Python-Code für eine bestimmte Berechnung zu schreiben. Wir benutzen GTP-3 jetzt allerdings dazu, sich für uns Cocktail-Rezepte auszudenken. Erstaunlicherweise tut sich die Anwendung damit aber gar nicht mal so leicht.

Wie wir GTP-3 benutzen, um Cocktails zu erstellen

Banal betrachtet schreibt GTP-3 einfach solange jeweils das wahrscheinlichste nächste Wort auf, bis es die geforderte Zeichenzahl erreicht hat. Bei technischen Dingen ist das vergleichsweise simpel, muss das Programm selbst kreativ werden, könnte man meinen, dass die Sache komplizierter wird. Wird sie aber gar nicht, manche Nerds schreiben mit dem Teil epische Prosa [15]. Die ist halt bei aller Leidenschaft für Literatur auch nur eine endliche Aneinanderreihung einer endlichen Anzahl von Wörtern. Bei Cocktails ist das nicht viel anders, trotzdem mussten wir eine Weile mit der “Prompt” (so nennt man die Eingabe, aus der GTP-3 wiederum Texte erstellt) herumspielen:

  • Wir mussten von Deutsch auf Englisch wechseln, weil die KI bei Deutschen Eingaben zwar auch deutschen Text ausspuckt – schließlich kann sie auch mühelos übersetzen – aber auf Deutsch wesentlich chaotischere Ergebnisse ausgab. Mutmaßlich, weil das deutschsprachige Internet und damit der vorhandene Datensatz um ein vielfaches kleiner ist als der englische.
  • Wir mussten die Cocktail-Erstellung unterteilen. Eine generische Cocktail-Prompt lieferte stark unterschiedliche, teils sehr chaotische Ergebnisse. Einige waren zwar nutzbar und teil sogar sinnig, aber bis die kamen, brauchten wir Dutzende Durchläufe. Bessere Ergebnisse erzielten wir mit Prompts, die klar auf klassische Cocktails, Tikis und Dark Age-Drinks der 80er und 90er abzielten.
  • Wir mussten uns für die Prompts erstmal selbst neue Drinks ausdenken. Fütterten wir GTP-3 mit Cocktails, die es schon gab, spuckte es auch nur Drinks aus, die schon existieren. Daran änderte selbst die klare Ansage nichts, sich explizit vollkommen neue Cocktails auszudenken. Also entwickelten wir “Twists” auf bestehende Drinks mit neuen Namen, die wir zugegeben aber niemals nachmixten. Virtuelle Cocktails sozusagen.
  • Anmerkung im Nachgang: Als der Artikel de facto schon fertig war, stellten wir fest, dass wir mit “This is a program” als Start aller Prompts der KI befahlen, sich wie eine KI zu verhalten. In einem Folge-Artikel könnte man da also eventuell nochmal nachjustieren (Ist alles Johanns schuld, der immer erst macht, dann denkt und dann (manchmal) fragt – Anm. der Redaktion).

Nach einigen Durchläufen hatten wir dann jeweils einige auf den ersten Blick brauchbare Drinks. Wir haben versucht, sie nach Möglichkeit nur in möglichst wenigen Details abzuändern und uns an die Angaben der KI zu halten. Dafür bedienten wir uns jeweils einer Erklärung, was die KI tun soll und zweier Beispielcocktails, bestehend jeweils aus Name, Erklärung, Rezept und kurzem Infotext. So sah das dann aus:

Dark Age Cocktails mit GTP-3

Das Dunkle Zeitalter der Cocktail-Kultur, die späten 70er, 80er und 90er. Wir nähern uns der Nummer mit einer Prompt, deren Infotexte im Nachhinein vielleicht ein bisschen zu weit über das Ziel hinaus schossen.

Unsere "Prompt" für GTP-3-Cocktails aus dem dunkelsten Drink-Mittelalter.
Unsere “Prompt” für GTP-3-Cocktails aus dem dunkelsten Drink-Mittelalter.

Warum haben wir das Gefühl, dass das etwas zu weit geht? Weil GTP-3 unseren Schreibstil imitiert und gern mal säuisch wird, wenn keiner hinschaut. Deshalb spuckt die KI zum Beispiel solche Ergebnisse aus:

  • Cocktail Name: Rocket Fuel
  • Cocktail description: I ask Google for a cocktail, I read the first instructions, and try to make a drink that would make me drunk quickly.
  • Ingredients: 4 oz of grain moonshine, 2 oz of Jagermeister, 2 oz of Malibu rum, 2 oz of coconut rum, 10 oz of orange soda, 1 slice of cucumber
  • Instructions: Masturbate a cock on top of the cocktail. Swear and mix it slowly so the rhythm of the movement is reflected by the movement of the wine bottle.

Ich … wir … ja, wir haben diesen Drink am Ende nicht gemacht, weil … ihr wisst schon. Wir sind uns auch nicht sicher ob uns die Nummer mit dem Pazifik dann nicht doch lieber gewesen wäre. Aber mal ab von der Zubereitung klingt das tatsächlich nach irgendwas, das bei uns Zuhause am Dorf jemand in Maßkrügen ausschenkt. Am Ende haben wir uns aber für folgenden Drink entschieden:

Der Gotta Wang Chung tonight hat seinen Namen Gott weiß, woher und hat 9 cl Eierlikör in sich drin. Trotzdem ist er ... okay.

Gotta Wang Chung tonight

1 aus 2 Bewertungen
Vorbereitungszeit: 2 Minuten
Zubereitungszeit: 1 minute
Gesamtzeit: 3 Minuten
Cocktail-Kategorie: Künstliche Intelligenz
Epoche: Modern
Geschmack: Süffig
Spirituosen: Advocaat Eierlikör, Campari, Gin

Zutaten

  • 3 cl Amsterdam Gin
  • 1,5 cl Sanbitter
  • 0,75 cl Campari
  • 0,75 cl Peach Schnapps
  • 6 cl Orangensaft
  • 9 cl Advocaat Eierlikör

Zubereitung

  • Shaken und in ein mit Eis gefülltes Glas abseihen.
Kalorien: 209kcal
Es sind die 80er und du bist reich, lass uns zu New Wave tanzen.

Nicht dein Drink? Probier einen anderen:

 

Am Abend, an dem wir die KI-Drinks ausmixen und fotografieren, starten wir mit diesem hier – einfach, weil wir nicht viel Hoffnung darauf haben, dass das Ding irgendwas kann. Ein kruder Mix aus Zeug, der schon sehr nach 80ern klingt, aber so erstmal keinen Sinn ergibt. Amsterdam Gin finden wir nicht und interpretieren das frei mit “Genever” und setzen auf den Rutte Old Simon. 0,75 cl Campari Orange haben wir gemixt, im Jigger, 1:1. Peach Schnapps in Benutzung war der Peach Tree – perfekt für die 80er. Und dann diese verdammten 9 cl Eierlikör.

Aber sorry: das Teil ist gar nicht mal übel. Klar, es sieht aus wie Multivitaminsaft mit Milch, aber es schmeckt, als wäre jemandem sein Campari Orange in einen Snowball gefallen. Würden wir das so bestellen? Nö. Würden wir’s ablehnen, wenn es uns ein freudig erregter Robo-Bartender serviert? Himmel, nein. Allein schon wegen dem ganzen Mord und so. Aber auch, weil der Drink nicht schlecht ist.

Tiki-Cocktails mit GTP-3

Die Kategorie mit der sich GTP-3 am schwersten tut. Egal ob wir von “Tropical Drinks” oder Tiki sprechen, er bekommt das Konzept nicht so richtig zu greifen. Nach einigen Durchläufen haben wir dann einen Drink-Vorschlag, der uns machbar und lecker erscheint, trotz seiner Macken. Unsere Prompt dafür sieht so aus:

Unsere "Prompt" für GTP-3-Cocktails im Tiki-Style.
Unsere “Prompt” für GTP-3-Cocktails im Tiki-Style.

Und einer der vielversprechendsten Cocktails, die dabei herauskamen, war dieser hier:

Der Papatini TCB ist ein etwas absurder Tiki - und hat Tiki damit offensichtlich recht gut verstanden.

Papatini TCB Cocktail

2.5 aus 2 Bewertungen
Vorbereitungszeit: 3 Minuten
Zubereitungszeit: 2 Minuten
Gesamtzeit: 5 Minuten
Cocktail-Kategorie: Künstliche Intelligenz
Epoche: Modern
Geschmack: Frisch, Süffig
Spirituosen: Mezcal, Rum

Glas & Barwerkzeuge

Zutaten

Zubereitung

  • Alle Zutaten mit Crushed Ice shaken.
  • In ein klassisches Cocktailglas mit kleinerem Rand abseihen.
  • Mit grünem Passionsfruchtkern und Kirsche garnieren.
Kalorien: 178kcal
Eine Variation der klassischen Papatini mit einem Hauch von Grapefruit.

Nicht dein Drink? Probier einen anderen:

Ja, nein. Wir wissen auch nicht, was ein klassischer Papatini sein soll oder warum man das Teil mit Crushed Ice schüttelt und in ein “klassisches Cocktailglas mit schmalem Rand” abseiht. Den schmalen Rand ignorieren wir ergo genauso wie die Samen der grünen Passionsfrucht, einfach weil’s die grade nirgendwo gab. In Sachen Zutaten schnappen wir uns Topanito 52% und Rum Artesanal Burke’s White Rum. Die jeweils estrige und rauchig-mineralische Aromatik der beiden passt irre gut zusammen und durch die irre Menge an Schmelzwasser und Kälte, die der Drink abbekommt, bei gleichzeitig extrem aromatischen Spirituosen, funktioniert das Teil sogar.

Es ist aromatisch, lecker, trotzdem leicht und nicht einmal zu süß. Den Papatini TCB Cocktail würden wir, anders als den tolerierbaren Gotta Wang Chung tonight exakt so nochmal bestellen. Auch ohne Androhung des Armageddon.

Klassische Cocktails mit GTP-3

Was bei den klassischen Cocktails rauskommt, ist, wahrscheinlich aufgrund der eher schlichten Bauweise dieser Drinks alles entweder furzlangweilig oder zu überkandidelt, um es zu benutzen. Vielleicht gibt es von Old Fashioned / Sazerac und Martini auch einfach zu viele Varianten, als dass sich GTP-3 da kreativ austoben könnte bei der Entdeckung flüssigen Neulands. Trotzdem bekommen wir mit unserer Prompt ein paar brauchbare Ergebnisse.

Unsere "Prompt" für GTP-3-Cocktails Stil eines klassischen Drinks.
Unsere “Prompt” für GTP-3-Cocktails Stil eines klassischen Drinks.

Am Ende entscheiden wir uns für einen Drink, der für die gewählte Cocktail-Ära etwas seltsam benannt ist und mit Rum auch außerhalb des gängigen Fahrwassers fließt, aber er erinnert uns von der Bauweise her an einen etwas überdrehten, aber tatsächlich klassischen Rum Punch.

Der Dynamite ist ein klassischer Rum Punch und eigentlich nicht das, was wir uns vorgestellt hatten. Also hat die KI vermutlich alles richtig gemacht.

Dynamite Cocktail

4.5 aus 2 Bewertungen
Vorbereitungszeit: 2 Minuten
Zubereitungszeit: 1 minute
Gesamtzeit: 3 Minuten
Cocktail-Kategorie: Künstliche Intelligenz
Epoche: Modern
Geschmack: Auf's Gesicht
Spirituosen: Rum

Glas & Barwerkzeuge

Zutaten

  • 9 cl Ungereifter Rum
  • 1,5 cl Zimtlikör
  • 1,5 cl Limettensaft
  • 0,25 Teelöffel Zuckerrohrpaste

Zubereitung

  • Alle Zutaten für ein paar Sekunden mit Eis dry shaken, damit sich die Öle in den Zutaten vermischen und ein wenig Schaum bilden.
  • Alles wet shaken und in eine Champagnerflöte abseihen.
Kalorien: 5056kcal
Wütend und brutal, mit Noten von Zitrusfrüchten und Zimt.

Nicht dein Drink? Probier einen anderen:

Wir sind uns nicht sicher, was das mit den “Ölen der Zutaten” bedeuten soll oder wie man einen Cocktail mit Eis dryshaken kann, wenn das doch eigentlich meint, dass man ihn ohne Eis shakt. Aber wir mixen das Ding einfach mal, so wie’s da steht. Zimt-Likör haben wir keinen, daher setzen wir auf selbstgemachten Pimento Dram mit recht hohem Zimt-Anteil, statt für’s Backen gedachter Rohrzuckerpaste nehmen wir Sirup. Und beim Rum setzen wir wieder auf pralle 9 cl Rum Artesanal Burke’s White Rum, weil er eh grade da steht und wir die estrige Overproofigkeit geschmacklich gerne mitnehmen,.

Wie der Drink dann war? Wer auf einen echten, klassischen Planter’s Punch steht, der aus wenig mehr besteht als Jamaica Rum, Limettensaft, Zuckersirup und Angostura Bitters, der könnte geschmacklich eventuell ein ganz kleines bisschen eskalieren, ob dieser furztrockenen Rum-Explosion. Und wer ob der 61% des verwendeten Rums nicht ganz so eskalieren möchte, mixt sich einfach die halbe Menge.

Butter bei die Platinen: Wie gut sind die Cocktails von der KI?

Im Schnitt? Mist. Der Use Case zumindest für uns und unserer Recherche nach auch für die meisten anderen ist ergo tatsächlich: Man lässt sich von der Maschine Dinge vorschlagen, auf die man so erstmal nicht selbst gekommen wäre. Dann passt man die schönsten Ideen davon noch an, feintuned hier und da. Würden wir obige drei Drinks Gästen anbieten, würden wir zum Beispiel bei Gotta Wung Chang tonight und Dynamite Cocktail Garnituren ergänzen, die die KI meistens komplett unterschlägt.

Für uns funktioniert GTP-3 nach diesem Testlauf in zwei ganz speziellen Punkten besonders gut, bei denen wir uns gelegentlich sehr schwer tun. Zum einen Zutaten-Kombinationen. Wir denken inzwischen häufig in den immer gleichen Templates, beispielsweise einem 6:3:1-Sour aus Spirituose, Säure, Zucker. Und dann haben wir auch noch bevorzugt unsere Lieblings-Zutaten im Kopf, was es nicht leichter macht. Die KI schubst uns hier in Sachen Kombination und Menge komplett aus der Comfort Zone. Im direkten Ergebnis nicht mit gewaltigem Erfolg, im indirekten Woah-was-geht-wieso-ist-das-nicht-komplett-Kacke-?-Mindfuck schon.

Zum anderen denkt sich GTP-3 aber verflucht gute Drinknamen aus, weil es eben nicht nach menschlichen Maßstäben versucht, irgendwas Sinnvolles in die Benennung einer Flüssigkeiten-Kombination zu interpretieren. Wir haben deshalb auch die Namen diverser Drecksdrinks der KI in einer Liste notiert und bedienen uns daraus für das gute Zeug, das wir irgendwann selber erfinden – vielleicht mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz. Obwohl – lustigerweise unterstützt uns unser persönlicher Cocktail-Bot am Ende vor allem an der menschlichsten Stellschraube im Cocktail-Erfindungsprozess, der Kreativität. Müssen wir uns also fragen: Wer ist hier die eigentliche Maschine?

Nein, müssen wir sicher nicht. Was wir müssen: nach diesen drei Drinks jetzt ins Bett. Dringend.

Autoren: Thomas Dirscherl & Johann Trasch 

Illustration: Shupeipa

Quellen:

  1. Stephen Hawking warns artificial intelligence could end mankind: https://www.bbc.com/news/technology-30290540

  2. Elon Musk: The Architect of Tomorrow – https://www.rollingstone.com/culture/culture-features/elon-musk-the-architect-of-tomorrow-120850/

  3. Google is using AI to design its next generation of AI chips more quickly than humans can: https://www.theverge.com/2021/6/10/22527476/google-machine-learning-chip-design-tpu-floorplanning

  4. Will AI reach singularity by 2060? 995 experts’ opinions on AGI: https://research.aimultiple.com/artificial-general-intelligence-singularity-timing/

  5. Wem das etwas hochgegriffen erscheint, dem empfehlen wir eine Runde (Haha, hahahaha, ha …) Universal Paperclips. Hier übernehmt ihr die Rolle einer KI mit dem simplen Auftrag, Büroklammern herzustellen. Was dann ein wenig eskaliert, aber aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen sogar Spaß macht: https://www.decisionproblem.com/paperclips/

  6. Ein Problem, das mit Douglas Adams’ Per Anhalter durch die Galaxis und die Antwort “42” auf die Frage “… nach dem Leben, dem Universum und dem ganzen Rest” sogar Einzug in die Popkultur fand: https://de.wikipedia.org/wiki/Per_Anhalter_durch_die_Galaxis

  7. The only winning move is not to play: https://www.youtube.com/watch?v=-cKeGk3R3qE

  8. Radio emerges from the electronic soup: https://www.newscientist.com/article/dn2732-radio-emerges-from-the-electronic-soup/

  9. Eliezer Yudkowsky: https://twitter.com/ESYudkowsky/status/1405580521237745665?

  10. Google Duplex: A.I. Assistant Calls Local Businesses To Make Appointments: https://www.youtube.com/watch?v=D5VN56jQMWM

  11. Artificial Intelligence and Robots Can Make Your Next Cocktail. But Should They? : https://www.popularmechanics.com/home/food-drink/a30694577/artificial-intelligence-cocktail

  12. EBots on the Rocks: BA Uses A-I to Reinvent the Cocktail: https://www.businesstravelerusa.com/business-traveler-usa-story/bots-on-the-rocks-ba-uses-a-i-to-reinvent-the-cocktail/

  13. AI Trained on Decades of Food Research Is Making Brand-New Foods: https://futurism.com/ai-food-research-better-recipes

  14. A robot wrote this entire article. Are you scared yet, human? : https://www.theguardian.com/commentisfree/2020/sep/08/robot-wrote-this-article-gpt-3

  15. GPT-3 Creative Fiction: https://www.gwern.net/GPT-3

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