Trocken, rot und süß, weiß. Wer die Welt des Wermuts durchs die Augen eines Puristen betrachtet, verpasst ein großes, weites Meer von bittersüßen Abenteuern und trockenen Lebensfreuden. Ja, die Zeiten, in denen Wermut nur als Kochzutat herhalten musste und höchstens Barlöffel-weise in den Dry Martini wanderte, die sind vorbei. Aber über den geschmacklichen Tellerrand, sprich: die paar wenigen Haupt-Kategorien, die es eben gibt, schauen bisher die wenigsten Hersteller.
Das kann man jetzt gut finden, schließlich trieb die Experiementierfreude der Hersteller beim Gin zuletzt absurdeste Stilblüten – und schon allein die gängigen Wermut-Varianten erlauben eine irre Bandbreite an Aromen. Bei Belsazar, dem vielleicht bekanntesten deutschen Wermut-Hersteller, hat man aber schon mit dem Rosé gezeigt, dass man zwischen den Zeilen denken kann und sich Neues traut. Mit der Summer Edition geht man drei Schritte weiter und kombiniert Top-Weine aus dem Hause Dr. Loosen mit – obacht, Tiki-Fans! – Ananas.
Die Story hinter Belsazar
Teilt man die Welt der Spirituosen ganz billig und wenig sinnvoll in “Craft” und “Business”, dann liegt Belsazar ziemlich genau in der Mitte. 2014 setzen sich die Herren Sebastian Brack (Thomas Henry-Mitgründer), Maximilian Wagner (davor im Gin-Vertrieb bei The Duke) und Philipp Schladerer, der Chef der bekannten Obstler-Marke zusammen und entscheiden: deutscher Wermut in richtig geil, das wär ein Ding. Weil das Trio über ein sehr gutes Netzwerk verfügt, werden hier großartige Weine bekannter Winzer, ordentliche Kräuter und dank Schladerer Top-Obstbrände vermählt. Es entstehen die Sorten Dry, Rot, Rosé und White. Der Erfolg kommt schnell.
Nur knapp 4 Jahre später haben die Herren Belsazar zu 100% an den Spirituosen-Riesen Diageo verkauft, bleiben aber als Berater an Bord. Statt Masse, Masse, Masse, wie man hätte befürchten können, geht der Trend aber weiterhin zum Außergewöhnlichen: Eine auf 4.000 Stück begrenzte Dr. Loosen-Edition mit dem heißbegehrten Riesling aus dem gleichnamigen Weingut geht weg wie nichts Gutes – und öffnet die Tür für einen quasi direkten Nachfolger:
Mit der Summer Edition setzt das Belsazar-Team nicht nur die Zusammenarbeit mit dem bekannten Weingut fort, sondern passt auch die Rezeptur und Menge an: statt 4.000 Flaschen kommen 25.000 auf den Markt, zu den bisher eingesetzten Botanicals gesellen sich Pfefferminz, Grapefruit und Ananas – eine grandiose, wenn auch ziemlich abgefahrene Kombi für diese altehrwürdige Kategorie. Ob sich diese Experimentierfreude auszahlt, das zeigt nur der Geschmackstest.
So schmeckt die Belsazar Summer Edition
Wir verkosten den Wermut aus dem Kühlschrank und lassen ihn im Glas zwei, drei Minuten stehen, Trinktemperatur ist damit grob geschätzt 12 Grad. Seine hellgelbe Farbe und leichte Viskosität erinnert an Weißwein und der Duft bestätigt diesen Eindruck: frisch und leicht, aber mit einer lieblichen Süße steigt er uns in die Nase. Ananas und frischer Traubensaft sind die Primär-Assoziationen, dazu kommt die Minze, kandierte Orangenschale und ein Hauch von Thymian. Lässt man ihm etwas Zeit, entwickelt er ein unaufdringliches Fruchtbonbon-Aroma.
Nase: Ananas, Traubensaft, Minze, kandierte Orangenschale, Thymian, Fruchtbonbon
Mund: Ananas, Grapefruit, Trauben, Weißwein, Minze
Im Mund ist er ebenfalls vordergründig süß, vielleicht sogar ein wenig zu süß: die Fruchtbonbon-Note mit klarer Ananas findet sich sofort wieder. Dazu kommt schnell etwas Grapefruit und Waldhonig, im Abgang dann Trauben, Weißwein und eine ganz, ganz sanfte Bitternote mit etwas Rosmarin. Der Nachgeschmack, der nicht ganz so lange bleibt, wie wir uns das aufgrund seiner Qualität wünschen würden, zeigt viel frische Minze und lieblichen Weißwein.
Die Belsazar Summer Edition in Cocktails
Zugegeben: das Ding ist nicht super-komplex und selbst für einen weißen Wermut (die zuckerhaltigere Alternative zum ebenfalls hellen trockenen Wermut) recht süß. Aber es ist absolut eigenständig, irre süffig und wundervoll rund – verkauft man die Belsazar Summer Edition als leicht absurden Dessert-Wein, machen wir davon problemlos und begeistert versehentlich zu zweit im dritten Gang die Flasche weg. Und das ist jetzt keine Hyperbel, die wir benutzen, um zu erklären, wie sehr uns dieser Wermut schmeckt; “zum Dessert die Flasche wegmachen” ist die klare Empfehlung. Ab davon funktioniert der Ananas-Wein aber auch her-vor-ra-gend in Cocktails.
Die beiden “offiziellen” Drinks für die Belsazar Summer Edition sind zum einen ein etwas abstrus erscheinender Piña Colada-Twist mit drei Sorten Kokos, der zwar aromatisch durchaus spannend, aber pappensüß ist und die Kombination mit Tonic. Das, ja das ist der Überflieger – leicht, frisch, spannend. Wir greifen zum Schweppes Extra Dry, für nicht noch mehr Süße und etwas Bitterkeit und sind restlos zufrieden: Sommer, durch und durch das Ding. Daneben funktioniert der Belsazar aber erstaunlicherweise irre gut in diversen Shortdrinks: Im Not-so-dry-Martini mit einem wacholderlastigen Gin und auch irre gut in einer 3:1-Manhattan-Variante mit Bourbon.
Auch eine Shortdrink-Colada aus 4 cl Wermut, 4 cl Revolte Rum und 1,5 cl Koko Kanu mixen wir aus – nix für Fans der klassisch-süßen Colada, aber auf jeden Fall was für Leute wie den Autor dieser Zeilen, der’s eigentlich eher trocken mag. Aber natürlich vermixen wir diesen Wermut auch in einer eher klassischen Colada – eine, die sehr wohl die Süße und Kokos-Ananas-Rum-Faszination des Originals vor sich herträgt, dabei aber nicht ganz so schwer im Magen liegt:
Johannishof Colada
- 6 cl Belsazar Summer Editon
- 2 cl Gereifter Rum
- 2 cl Limettensaft
- 3 cl Cream of Coconut
Alles auf Eis shaken und ohne abseihen in ein Cocktailglas schütten. Mit Crushed Ice auffüllen und mit Ananas garnieren. Trinken.
Fazit: “Ein Wermut, der die alten Grenzen der Kategorie überschreitet aber seine Herkunft nicht verleugnet.” stünde hier normalerweise. Aber der Edel-Riesling-Ananas-Belsazar macht einfach so unglaublich gute Laune, dass wir das Fazit mit dem Satz beenden, mit dem wir den Verkostungs-Abend eröffneten: “Boah.”
Daten: Deutschland, um 25 Euro, 0,7 Liter, 16 Prozent
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