Linie Aquavit Classic, Port & Madeira Cask Finish im Cocktail-Test

Die drei in Deutschland erhältlichen Varianten des Linie Aquavit.
Die drei in Deutschland erhältlichen Varianten des Linie Aquavit.

Unsere Erforschung skandinavischen Kümmelschnapses begannen wir gemütlich – mit einem Artikel über “Botanical Aquavit“, der zwar gut ist aber am Ende halt eher eine Gin-Variante mit Kümmel. Es folgte ein Artikel über einen Aquavit mit ganz ohne Kümmel. Wir haben uns jetzt also ganz langsam rangetrunken an die Sachen, die laut den Verächtern dieser wunderbaren Spirituosen-Kategorie “so furchtbar nach Kümmel stinken, als würde die Oma gleich das Kassler auspacken.”. An die Helbings, Maltester oder eben Linie Aquavits.

Die Flaschen für dieses Tasting wurden uns von Eggers & Franke, dem deutschen Vertrieb von Linie zur Verfügung gestellt, Bedingungen gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.  

Die Flasche mit dem Schiffchen drauf und dem Namen, der ins deutsche übersetzt schlicht “Äquator” bedeutet, kennen die meisten aus dem Tiefkühlfach – da holt man sie nach dem fetten Essen oder an guten Tagen schon während des Kochens kurz raus und packt sie nach dem obligatorischen Stamperl auch wieder rein. Dass die nordische Spirituose mehr kann als sich gefrostet saufen zu lassen, wisst ihr schon aus den letzten Aquavit-Artikeln, in denen es neben geilen Drinks natürlich auch um Zimmertemperatur-Genuss ging. Aber heute ist alles etwas anders – heute gehen wir Full Kümmel.

Linie Aquavit in einem Lifeline-Cocktail aus der Raus Bar in Trondheim. Darin: Aquavit, Zitrone, Peychaud's und Angostura Bitters, Eiweiß.
Linie Aquavit in einem Lifeline-Cocktail aus der Raus Bar in Trondheim. Darin: Aquavit, Zitrone, Peychaud’s und Angostura Bitters, Eiweiß.

Die Story hinter Linie Aquavit

Die Kurzgeschichte zu den Linies haben wir ja schon im Artikel zum No. 52 genauer angerissen. Die klar auf Mixing ausgerichtete Qualität aus dem Linie-Haushalt selbst ist im Gegensatz zu den klassischen Varianten allerdings ungelagert. Deswegen trägt sie auch nicht “Linie” im Namen. Dieser – “Titel” möchte man fast sagen -, geht darauf zurück, dass alle Aquavite der Marke auf einer Schiffsreise zweimal den Äquator überqueren. Als das zum ersten Mal passierte, im Jahr 1804, war das der Geschichte nach ein Versehen.

Die Familie Lysholm wollte Aquavit nach Asien verkaufen, da wollte den aber keiner. Als er drei Jahre später wieder daheim aufschlug, schmeckte er aber plötzlich deutlich geiler. Also schrieb man sich “Matured at Sea” auf die Flasche und ließ das Zeug von da an  immer auf See reifen. Das passiert auch heute noch, da die Marke in der Hand der Aquavit-Großmacht Arcus liegt. Zum einen sicher, weil es einen erheblichen Imageverlust bedeuten dürfte, auf diesen Spaß zu verzichten, zum anderen weil man laut eigener Aussage auch mit modernen Techniken nicht den Geschmack hinbekommt, den die wogende See und die salzige Luft dem Destillat verleihen.

In der Praxis sieht das dann so aus: Ein Destillat aus Kartoffeln wird mit Gewürzen und Kräutern (die wichtigsten davon Kümmel und Sternanis) einzeln mazeriert und erneut gebrannt, anschließend geblendet und für 12 Monate in Ex-Oloroso-Sherry-Fässer gepackt. Danach kommen die Dinger noch für 4 Monate auf’s Schiff für die große Reifereise; der klassische Linie Aquavit ist an der Stelle fertig. Seit einigen Jahren ergänzen jedoch die beiden Varianten Madeira Cask und Port Cask das Portfolio. In beiden Fällen lagert der Aquavit noch einmal ein Jahr in den namensgebenden Fässern. Stellt sich für den geneigten Cask Finish-Fan ergo die Frage: Wie unterschiedlich schmecken die Dinger?

So schmeckt Linie Aquavit

Im Glas schimmert er mit der Farbe von hellem Honig, schwenkt sich leicht, zieht aber ordentliche Nasen an der Glaswand. Sein Duft ist nicht überbordend, aber prägnant und insgesamt sehr warm. Kümmel und Anis sind die beiden Aromen, die klar hervorstechen, dann folgt ein sanftfruchtiger Anklang von Orangen. Dahinter verbergen sich Eiche und etwas, das an einen Bourbon erinnert und wohl am ehesten als Vanille durchgeht.

Nase: Kümmel, Anis, Orange, Eiche, Vanille

Zunge: Anis, Kümmel, Vanille, Sellerie, Pfeffer, Orange

Im Mund kommt er unverhofft mit einer leichten Süße an, Anis ist hier zunächst präsenter als der Kümmel, der aber schnell nachkommt. Die Vanille ist hier wesentlich deutlicher, auf dem Weg zum Gaumen kommt aber eine kleine Prise Sellerie und etwas Pfeffer dazu. Im geschmacklichen wie im sensorischen Sinne. Der Abgang wird wieder vom Anis bestimmt und lässt noch einmal die Orange durchscheinen. Er bleibt angenehm lange auf der Zunge.

Linie Aquavit Port Cask in einem Old Fashioned mit Portwein statt Zucker.
Linie Aquavit Port Cask in einem Old Fashioned mit Portwein statt Zucker.

So schmeckt Linie Aquavit Port Cask

Schon in der Farbe machen sich die 12 Monate im Ex-Port-Fass deutlich bemerkbar: rötlicher kommt dieser Aquavit daher, fast bernsteinfarben. Die Nase ist imposanter und komplexer. Anis und Kümmel sind auch hier weiterhin ganz vorne mit dabei, aber hier schwingen sofort rote Früchte und ein Hauch von Champagner mit. Orange und frisches Holz schieben sich langsam hinterher mit einer frischen Kardamom-Note, die nachkommt, wenn man ihn ein paar Minuten stehen lässt.

Nase: Anis, Kümmel, Rote Früchte, Champagner, Orange, Frisches Holz, Kardamom

Zunge: Rotwein, Anis, Kümmel, Pfeffer, Vanille, Orange, Zimt

Auch im Mund macht dieser Linie ein ganz anderes Fass auf. Das Mundgefühl ist cremiger, voluminöser, der Geschmack deutlich süßer. Der Port ist klar erkennbar, schwerer Rotwein trifft auf Anis und Kümmel und erinnert fast ein wenig an Glühwein. Eine leichte Pfeffrigkeit haben wir auch, die am Gaumen aber keineswegs gemüsig wird – hier stellt sich klare und erkennbare Vanille ein. Im Nachgeschmack sind es Orange und ein Hauch von Zimt, die überraschend noch dazukommen. Wunderschön.

So schmeckt Linie Aquavit Madeira Cask

Die Farbe ist nahezu bauglich zur Port-Variante, der Duft allerdings deutlich näher am Original-Linie: ein wenig mehr Honig vielleicht, eine angenehme, leicht florale Süße hat der Duft – darüberhinaus ist es aber auch hier die Kombi aus Kümmel, Anis und Orange, die das Aroma ausmacht. Nach ein paar Minuten atmen schiebt sich noch die Vanille dazu und weißer Pfeffer.

Nase: Kümmel, Anis, Orange, Honig, Weißer Pfeffer, Vanille

Zunge: Kümmel, Anis, Vanille, Pfeffer, Minze, Angebrannter Karamell.

Unglaublich mild und mit einer sanften Cremigkeit kommt der Madeira Cask Linie auf der Zunge auf. Klar, Kümmel und Anis (ihr könnt es wahrscheinlich schon nicht mehr hören), aer dazu eine angenehme Süße, etwas Vanille und Pfeffer, dazu ein angenehmer Einschlag von Minze. Im Abgang bekommt er etwas leicht mineralisches, das sich aber eher schwer einordnen lässt. Angebrannter Karamell wäre das, was wir mit vorgehaltener Pistole dazu sagen würden. So oder so: auch toll.

Linie Aquavit Port Cask in einem Sour mit Dr. Jaglas Artischockenelixier und einem misslungenem Karamellchip.
Linie Aquavit Port Cask in einem Sour mit Dr. Jaglas Artischockenelixier und einem misslungenem Karamellchip.

Die Kümmels in Cocktails

Wenn ihr etwas über den Genuss von Aquavit im Allgemeinen und Linie im Besonderen erfahren wollt, seien euch die beiden Podcasts zum Thema von nocheersnostory.com ans Herz gelegt. Wenn ihr unsere persönliche Einschätzung wollt: was den Purgenuss angeht, funktionieren die Linies alle drei ganz wunderbar, auch und vor allem bei Zimmertemperatur. Den Vogel schießt dabei aber die Port-Variante ab. Was ihr da für um die 20 Euro geboten bekommt, wischt mit so mancher 40-Euro-Plörre den Boden auf. Vorausgesetzt natürlich, Kümmel ist euer Ding. Das gilt in der Form dann auch für Cocktails. Wer mit dem Brotgewürz nix anfangen kann, bastelt sich seine skandinavischen Flüssig-Happen lieber mit Aalborg.

Wenn, ja aber wenn ihr gar nicht genug Kümmel bekommen könnt, dann seid ihr hier ganz gut aufgehoben. Was Longdrinks angeht, etwa einen Aquavit Tonic oder einen Beetroot Basher, ist (leider) ziemlich egal, welchen ihr nehmt, die Feinheiten tragen sich durch zu große Mengen anderer Zutaten leider nicht hindurch. Was dieser Beetroot Basher sein soll, fragt ihr? Ein ziemlich spannender Drink aus dem Duck and Cover in Kopenhagen, entdeckt haben wir ihn bei gentledrinks.de.

In Shortdrinks dagegen ist die Sache eine ganz andere. So haben wir zum Beispiel festgestellt, dass uns von den drei Varianten im Negroni-Twist Trident mit Cynar und Sherry der Madeira am besten mundet. Für Old-Fashioned-Varianten funktioniert für uns dagegen der Port Cask am besten – aus denselben Gründen wie in der Purverkostung. Darüberhinaus mixen wir uns außerdem folgende Leckerbissen:

Arty’s Aquavit Sour (sauer, bitter, schön)

  • 5 cl Linie Port Cask 
  • 2 cl Dr Jaglas Arstischocken-Elixier
  • 1,5 cl Zuckersirup
  • 3,5 cl Zitronensaft
  • 1 Eiweiß

Alle Zutaten zusammen zunächst ohne Eis, dann mit Eis shaken. Der erste Shake verstärkt die Schaumkrone aus dem Eiweiß. Wir garnieren mit einem Karamell-Lavendel-Bitters-Chip. Zitronenzesten tun’s aber auch.

Sam Bucca goes to Norway (irre komplex)

  • 4 cl Linie Madeira Cask
  • 2 cl Vermut Weiß
  • 3 cl Sam Bucca White Coffee Liqueur (von Have)
  • 2 Spritzer Dr. Sours Xoco Tea

Alles zusammen auf Eis rühren und in einen Tumbler mit frischem Eis abseihen. Mit Orangenzeste garnieren. Trinken.

Adapted West Indies Sour (der An-Kümmel-Rantaster)

Alle Zutaten zusammen auf Eis rühren, mit Zitronenzeste garnieren. Trinken.

Old Harbour (neuer Lieblings-Old Fashioned gefällig?)

  • 1 Barlöffel Portwein
  • 5 cl Linie Port Cask
  • 2 Spritzer Angostura

Alle Zutaten zusammen im Glas rühren, mit einer Orangenzeste garnieren. Trinken.

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Fazit: Kümmel und Anis muss man mögen, sonst ist man hier falsch – aber vor allem die Cask-Finish-Varianten liefern so viel mehr als nur diese beiden Botanicals. Pur ist vor allem der Port Cask unbedingt zu empfehlen, in Shortdrinks spielen aber alle drei ihre Stärken hervorragend aus.

Daten: Linie Aquavit: 41,5 Prozent, um 18 Euro für 0,7 Liter; Linie Aquavit Port Cask: 41,5 Prozent, um 24 Euro für 0,7 Liter; Linie Aquavit Madeira Cask: 41,5 Prozent, um 24 Euro für 0,7 Liter; alle drei aus Norwegen

Eggers & Franke, der deutsche Vertrieb von Linie hat uns je eine Flasche der Produkte zur Verfügung gestellt, aber weder auf eventuelle Artikel noch auf das Tasting Einfluss genommen. Wir danken für die ausnehmend freundliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit. 

 

 

 

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Johann

Cocktailbarts Archmage of Content bei Nacht, Familienvater & Texter bei Tag. Lieblings-Drink Martini, Lieblings-Spirituose trotzdem Rum. Wohnt in Franken, kommt aus der Oberpfalz (ist beides in Bayern, tschuldigung). Typischer Satz: "Meinste das wär geiler, wenn man Olivenlake reintut?"