Rutte Celery Gin und der Dirty Celery Martini

Rutte Celery Gin im Dirty Celery Martini.
Rutte Celery Gin im Dirty Celery Martini.

“Ich finde es gut, dass du den bestellst. Der ist geil, aber die meisten Leute trauen sich das gar nicht, wenn sie das mit dem Sellerie lesen. Die denken, der schmeckt nach Suppe.” erklärt mir die Kellnerin in der (empfehlenswerten!) Regensburger Paletti Bar. Ich habe mir gerade einen Celery Basil Smash mit Rutte Celery Gin bestellt und dieser kurze Hinweis zum Drink sagt sehr viel aus über den Mut, den man haben muss, wenn man was etwas außergewöhnliches erschaffen will.

Die Flasche für dieses Tasting wurde uns von Borco Marken Import, dem deutschen Vertrieb von Rutte zur Verfügung gestellt, Bedingungen gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.  

Aber lassen wir die Vorschusslorbeeren erstmal stecken und reden über das Wesentliche: während Sellerie Bitters inzwischen gang und gäbe sind, aber dann meistens doch nur in die Bloody Mary wandern, ist dieser Sellerie-Gin aus dem Hause Rutte bei uns in Deutschland vor allem für seine ganz eigene Variante des Gin Basil Smash bekannt, die alles andere als nach Suppe schmeckt. Zugeben: Der eine oder andere Red Snapper (ein Vorläufer der Bloody Mary mit Gin) wird damit schon auch gemixt. Trotzdem ist dieser Gin ist mehr als ein Kuriosum.

Die Geschichte der Rutte Distillers

Die kalten Fakten: Rutte Distillers (gesprochen: Rütte) wurde 1872 von Namensgeber Simon Rutte gegründet und brennt seitdem in 130 Vrieseestraat, Dordrecht in den Niederlanden vornehmlich Genever, Liköre und Gin. Sieben Generation der Ruttes arbeiteten in diesem unscheinbaren, kleinen Haus, doch es war vor allem John Rutte, der nach seiner Ausbildung zum Destillateur 1960 bis zu seinem Tod 2003 die Geschicke des kleinen, aber erfolgreichen Unternehmens leitete. Er setzte sich für die Erhaltung der alten Rezepte und den Verzicht auf künstliche Aromen und Farbstoffe ein.

Rutte Celery Gin im Gin Tonic.
Rutte Celery Gin im Gin Tonic.

Weil keines seiner Kinder den Beruf des Destillateurs ergreift, wird nach seinem Tod 2003 Myriam Hendrickx Master Distiller bei Rutte – nur kurz, nachdem Sie in das Unternehmen eingetreten war. Vorher arbeitete die studierte Lebensmitteltechnikerin vornehmlich in der Milchwirtschaft und Molkerei, sprich mit Käse. Sie bewahrt und digitalisiert die handschriftlich erhaltenen Rezepte ihrer Vorgänger und orientiert sich nicht nur bei der Herstellung der klassischen Gins und Liköre an ihnen – sie konsultiert sich auch bei der Entwicklung neuer Produkte. Die – zumindest für uns in Deutschland relevantesten davon: der Rutte Dry Gin, Old Simon Genever und der Celery Gin, um den es hier heute geht. Der Sellerie selbst ist entsprechend übrigens auch keine Modeerscheinung – schon Simon Rutte selbst benutzt ihn in seinen Rezepten.

Rutte Distillers verstehen

2011 übernimmt der niederländische Likör-Riese De Kuyper die Destillerie und ändert … nichts. Klar wird man nicht ganz unschuldig daran sein, dass neben dem in Holland so beliebten Genever nun auch (wieder) deutlich internationaleren Gin im Angebot hat. Aber trotz Übernahme und Kapital brennt Rutte nach wie vor in diesem winzigen Haus in der 130 Vrieseestraat, in dem auch Labor, Produktentwicklung, Lager, Verkostungsraum, Laden und teils sogar die Abfüllung Platz finden. Aus der kleinen, großen Marke wurde also kein gesichtsloser Riese gemacht, man hat sich den Laden als Partner ins Boot geholt und lässt ihn machen. So geht sympathischer Kapitalismus.

Rutte Celery Gin im Martini mit Mancino Vermouth Secco.
Rutte Celery Gin im Martini mit Mancino Vermouth Secco1.

Wer noch mehr knallharte Fakten (und viel Begeisterung) braucht, liest sich den brillant recherchierten Artikel der Kollegen von bar-vademecum.de durch, die die Familiengeschichte und die Destillerie selbst ausführlich beleuchten. Wer das Unternehmen Rutte noch darüberhinaus verstehen will, hört sich den Meyerschen Podcast mit der ursympathischen und fachkundingen Myriam Hendrickx an, oder liest sich einen der vielen anderen Artikel über Vor-Ort-Besuche durch, die allesamt so klingen, als hätten sich die Herren Journalisten ein bisschen verknallt. Aber natürlich solltet ihr die Produkte des Hauses auch probieren. So wie wir jetzt den Rutte Celery Gin, der neben dem Sellerie auf die Botanicals Wacholder, Koriander, Angelikawurzel, Kardamom und Orangenschale setzt:

So schmeckt Rutte Celery Gin

Der Gin liegt kristallklar im Glas und schwenkt sich schön schwerfällig. In der Nase ist er angenehm intensiv, ohne sich wuchtig Bahn zu brechen. Wacholder und Koriander erkennt man sehr schnell, danach muss man dem Aroma etwas Zeit lassen, dann schiebt sich der Kardamom durch und zieht ein wenig Orange hinter sich her. Untermalt wird der Duft von einem sanft-blumigen Einschlag, den man aber aktiv suchen muss. Insgesamt ist die Nase sehr klar, dafür aber erstmal nicht besonders breit.

Nase: Wacholder, Koriander, Kardamom, Orangen

Zunge: Zitrone, Wacholder, Koriander, Sellerie, Saurer Apfel, Fichtennadeln, Kresse

Im Mund ist schon im Antrunk deutlich komplexer: Zitrone und Wacholder zeigen sich sofort, auf dem Weg zum Gaumen offenbaren sich leichte Bitternoten, Koriander und schlussendlich auch der so lange erwartete Sellerie, zusammen mit ein wenig saurem Apfel und einem kräutrigen Aufblitzen von Fichtennadeln. Der Gin ist weich und zeigt ein fast schon cremiges Mundgefühl, im Nachgeschmack dominiert vor allem der Wacholder zusammen mit etwas, das entfernt an Kresse erinnert.

Der Rutte Celery Gin in Cocktails

Ein spannendes Produkt und eines, das Spaß macht – aber wer einen Gin erwartet, der – wie es laut unsrer netten Kellnerin wohl viele tun – nach Suppe schmeckt, der wird enttäuscht. Die Sellerie-Note ist sanft eingewebt in ein Produkt, das bei allem Innovationswillen ein klassischer Gin sein möchte. Entsprechend arbeiten wir in unseren Tests vorrangig mit Tonic Water, das in der Lage ist, den Gin entsprechend nach vorne zu stellen, wobei sich Fever Tree Mediterranean und BTW Tonic Water als unsere Favoriten herausstellen. Mit einer Selleriestange als Deko wird’s allerdings fast etwas zu krass, die Zitronenzeste funktioniert da um Längen besser.

Rutte Celery Gin im Last Word Cocktail.
Rutte Celery Gin im Last Word Cocktail.

Wir testen aber natürlich nicht nur im Gin Tonic, sondern packen auch etwas abseitigere Rezepturen aus. Beispielweise adaptieren wir den West Indian Sour aus dem Cocktailbuch #betacocktails, indem wir Rutte Celery Gin zu gleichen Teilen mit Aquavit mischen und mit etwas Zitrone, Maraschino und Orange Bitters anreichen. Ein erfrischender Drink mit Umami-Qualitäten. Wir entdecken obendrein, dass der Celery Gin einen hervorragenden Last Word abgibt, dem eine ganz sanfte Würze innewohnt. Auch der Martini mit diesem Gin macht unglaublich viel Spaß – und bringt uns auf eine Idee:

In der Theorie gibt der Celery Gin einen tollen Grundstoff für den vorhin erwähnten Red Snapper ab. Allerdings muss man ihn dazu unter literweise Tomatensaft und Würzsaucen ersaufen – da kommt die angenehme, aber fragile Sellerienote nicht dagegen an – trotzdem finden wir die Idee eines eher deftigen Cocktails mit diesem Produkt gut. Nur etwas eleganter müsste der Spaß sein. Ergo erfinden wir den …

Dirty Celery Martini

  • 6 cl Rutte Celery Gin
  • 1,5 cl Trockener Wermut
  • 1,5 cl Olivenlake (das Wasser aus dem Glas)
  • 1 Teelöffel/Barlöffel Öl von getrockneten Tomaten

Alle Zutaten zusammen auf Eis rühren und in ein vorgekühltes Martiniglas abseihen. Nicht wundern: Öl und Getränk mischen sich nicht – die Tropfen bleiben auf der Oberfläche des Drinks und duften köstlich. Mit ein paar Oliven und getrockneten Tomaten als Snack servieren. Trinken.

Der Dirty Celery Martini mit Rutte Celery Gin aus der Nähe.
Der Dirty Celery Martini mit Rutte Celery Gin aus der Nähe.

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(Mit einem * markierte Links sind Affiliate-Links aus dem Amazon-Partnerprogramm. Benutzt ihr diese für euren Einkauf, erhalten wir dafür eine kleine Provision.)

Fazit: Keineswegs ein gemüsiger New Western Gin, viel mehr eine spannende, handwerklich perfekte Spielart mit filigranen Aromen, die unglaublich viel Spaß machen – wenn man sie im Gin & Tonic oder Cocktail entsprechend atmen lässt.

Daten: 43 Prozent, um 34 Euro für 0,7 Liter, Niederlande

Borco Marken Import, der deutsche Vertrieb von Rutte hat uns eine Flasche des Produkts zur Verfügung gestellt, aber weder auf eventuelle Artikel noch auf das Tasting Einfluss genommen. Wir danken für die ausnehmend freundliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit. 

Bei den markierten Produkten handelt es sich um Spirituosen, an deren Vertrieb Johann in seinem Dayjob beteiligt ist. Er bekommt keine Provision für ihre Erwähnung und sein Arbeitgeber hat keinen Einfluss darauf, wann und in welcher Weise er auf Cocktailbart Produkte des Unternehmens erwähnt. 

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Johann

Cocktailbarts Archmage of Content bei Nacht, Familienvater & Texter bei Tag. Lieblings-Drink Martini, Lieblings-Spirituose trotzdem Rum. Wohnt in Franken, kommt aus der Oberpfalz (ist beides in Bayern, tschuldigung). Typischer Satz: "Meinste das wär geiler, wenn man Olivenlake reintut?"

Ein Kommentar

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  • Wir vom Bar-Vademecum möchten Johann recht geben: Wir haben uns tatsächlich ein wenig verknallt. Wer einmal die Destillerie besucht hat und vielleicht sogar das Glück hatte, von Myriam Hendrickx durch diese geführt zu werden und Erklärungen zu erhalten, und dann noch die Produkte verkostet hat, wird dies bestimmt verstehen. Falls Ihr einmal in Dordrecht seid, empfehlen wir unbedingt, einmal bei Rutte vorbeizuschauen!