Erst einmal die Entwarnung: Natürlich sind wir uns im Klaren darüber, dass die Überschrift einen ganz schlimmen Clickbait-Reißer darstellt. Beide Spirituosen basieren auf Kümmel und sind auch sonst durchaus miteinander vergleichbar – aber welcher jetzt besser ist, das liegt auf der Zunge des Betrachters. Aber ja: das Heinrich von Have-Team gibt sich bei seinem vielleicht lokalpatriotischstem Produkt größte Mühe, dem Aquavit Konkurrenz zu machen. Während der Kümmel-Schnaps aus Norwegen und Dänemark nämlich mit jeder Menge Lobby-Arbeit, sexy Erfolgs-Bartendern und starken Signature-Drinks daran arbeitet, geil und jung zu werden, gilt der norddeutsche Köm vielerorts noch immer als angestaubte Wahl für’s Herrengedeck. Zu Recht, die Kombi funktioniert – aber da geht mehr.
Die Flasche für dieses Tasting wurden uns von Heinrich von Have zur Verfügung gestellt, Bedingungen gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Über Köm und andere Hamburger Originale
Köm ist schlicht und ergreifend das plattdeutsche Wort für Kümmel und im Norden ist die gleichnamige Spirituose ähnlich relevant wie im Süden Deutschlands der Blut- und Bärwurz. Man trinkt ihn als Kurzen oder im Teepunsch und er wird meist ganz ähnlich hergestellt wie ein Aquavit: Getreidealkohol wird mit Kümmel und einigen anderen Botanicals mazeriert und danach eventuell noch einmal gefiltert.
Bei Heinrich von Have (und einigen anderen Herstellern) lässt der Prozess dem Hauptdarsteller mehr Platz: Die Basis ist höchstselbst ein Destillat aus Kümmelsamen, das mit Dill, Koriander, Fenchel und Zitrusschalen erneut destilliert wird und danach in Steingutbehältern reifen darf. Wer unsere anderen Artikel zu von Have-Produkten kennt, sollte um die dortige Mischung aus Tradition, Experimentierfreude bis an die Grenze des positiv bekloppten und Qualität wissen. Der Hamborger Köm ist das bis jetzt klassischste Produkt, das wir aus dem Hause probiert haben – stellt sich nur die Frage, ob sich dieses Fläschchen angesichts der Aquavit-Konkurrenz auf dem Markt lohnt.
So schmeckt von Have Hamborger Köm
Der Köm schwenkt sich sanft ölig und erstrahlt hellgelb. Attraktiv, auch wenn er uns nicht ganz sicher sind, wo er die Farbe herbekommen hat zwischen Destillation und Lagerung in Gefäßen, die eigentlich keine Farbe abgeben. Der Duft wirft weniger Fragen auf: Eine kräftig-frische Kümmelnote steigt uns in die Nase, zusammen mit allem, was die Brotgewürz-Welt zu bieten hat: Anis, Dillsamen, den Fenchel erschnuppern wir und ein wenig Kardamom. Dazu gesellt sich etwas Roggen. Ein schöner, nicht zu wuchtiger Duft.
Nase: Kümmel, Anis, Dillsamen, Fenchel, Kardamom, Roggen
Mund: Kümmel, Honig, Holunder, Dill, Fenchel, Anis, Heu
Auf der Zunge macht sich eine leichte, unerwartete Süße breit. Klar, Kümmel spielt wieder die Hauptrolle, aber da ist auch ein Hauch von Honig und Holunder, wieder der Dill und der Fenchel und vor allem im Abgang der deutlich spürbare Anis. Er besitzt eine ganz sanfte Pfefferschärfe, die aber sehr flott abklingt. Dazu kommen einige bittere Noten und auf den zweiten Schluck ein wenig Heu. Auch am Gaumen bleibt der Geschmack zurückhaltend, aber vielseitig.
Der Köm pur und in Cocktails
Pur ist der Hamborger Köm ein schönes, nicht zu aufdringliches Schmankerl, das wir uns natürlich auch im Herrengedeck mit einem hellen Bier vorstellen können – für ein kräftig-bitteres Pils ist sein Aroma vielleicht ein klein wenig zu zart. Spannenderweise wirkt er dafür allerdings in komplexeren Drinks gar nicht mal so schüchtern; im Trident, einem Negroni-Twist mit Cynar und Cream Sherry, macht er sich hervorragend, der Kümmel kommt wunderbar durch. Aber auch in diesen drei Cocktails überzeugen wir uns von seiner Mixability:
El Gringo (nach Salt & Silver aus Hamburg – Herrengedeck Deluxe)
- 3 cl Bourbon
- 2,25 cl Kümmel
- 1,5 cl Cherry Heering
- 1 Spritzer Limette
- 2 Dashes Dr. Sours Bitters #5 (Hibiskus & Beeren)
- Schaum eines frisch eingeschenkten Bieres
Alle Zutaten zusammen auf Eis shaken, in eine vorgekühlte Coupette abseihen und mit dem Bierschaum und etwas Dill garnieren. Trinken.
Kömunicator (bitter und rund)
- 4,5 cl Hamborger Köm
- 1 cl Edmunds Maranera
- 2 cl Weißer Wermut
Auf Eis rühren, in einen Tumbler mit frischem Eis abseihen und mit einer Orangenzeste garnieren. Trinken.
Norditerranean (süß, floral, bitter)
- 5 cl Hamborger Köm
- 2 cl Cream Sherry
- 2 cl Amaro
Alle Zutaten auf Eis rühren, in eine vorgekühlte Coupette abseihen, mit einer Trompete aus Himbeerfruchtleder und Zitrone garnieren. Trinken.
Fazit: Schöner, sehr kornig-körniger Kümmelschnaps, der absolut mit Aquavit aus dem noch nordigeren Höhen mithalten kann und angenehm brotige Noten mitbringt.
Daten: 32 Prozent, Deutschland, 0,5 Liter, um 16 Euro
Heinrich von Have, hat uns eine Flasche ihres Köm für redaktionelle Zwecke zur Verfügung gestellt, danach aber weder auf Art noch Umfang eventueller Artikel, noch das Tasting Einfluss zu nehmen versucht. Wir sagen Danke für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit.
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