„Da ist ein Truthahn drauf.“ Nur sehr wenige Whiskey-Flaschen sind so schnell und trotzdem präzise beschrieben wie die Flaschen der Wild Turkey Distilling Company – beim Inhalt wird die Nummer allerdings eine Spur weniger simpel. Das fängt bei der Wahl der richtigen Whiskey-Sorte an – die Herren aus Kentucky brennen sowohl Rye als auch Bourbon, um den es hier und heute geht – und geht weiter bei der Frage nach der Prozentzahl. Der Wild Turkey Kentucky Straight Bourbon Whiskey ist nämlich sowohl in einer 81-Proof (40,5 Vol-%) als auch in einer 101-Version mit 50,5 Vol-% erhältlich.
Die Flasche für dieses Tasting wurde uns von Campari Deutschland zur Verfügung gestellt, Bedingungen an den Artikel gab es nicht. Mehr Informationen dazu am Ende des Artikels.
Weil die preislich nicht einmal besonders weit auseinanderliegen und der Wild Turkey mit „um die 20 Euro“ in einer American Whiskey-Liga mit starker Konkurrenz spielt, stellt sich natürlich die Frage: was macht den besonders – und welchen nehme ich? Eben deshalb besprechen wir in diesem Artikel beide Varianten gleichzeitig – im Nachhinein sind wir uns allerdings nicht unbedingt sicher, ob das die Entscheidung für euch so viel einfacher macht. Aber fangen wir mit dem an, was die beiden Whiskeys verbindet: ihre Historie.
Die Story hinter Wild Turkey Bourbon
Der Titel Master Distiller wird heutzutage allzu generös verteilt – man muss nicht mal unbedingt tatsächlich Destillateursmeister sein, um sich damit zu schmücken. In Anbetracht der Erfahrung, die die beiden Master Distiller von Wild Turkey besitzen, werden die Unterschiede umso deutlicher: Zusammen bringen sie es auf 102 Jahre Brennerei-Erfahrung. Jimmy Russel tritt dem Unternehmen 1954 bei und lässt sich in der 1869 gegründeten Wild Turkey-Brennerei von Bill Hughes und Ernest Ripy ausbilden – dem zweiten Master Distiller der Distillery überhaupt und dem Sohn des Gründers. 1981 schließlich – zwei Jahre bevor der Autor dieser Zeilen geboren wird – tritt Russels Sohn Eddie in seine Fußstapfen. Von da an braucht er 35 Jahre, bis auch er den Titel des Master Distillers tragen darf.
Was nach viel Beständigkeit klingt, war außerhalb der Mauern der Distillery sehr bewegt: Die Brennerei, die wir heute als Wild Turkey Distilling Company kennen, startete 1891 unter Thomas Ripy als Old Hickery Distillery. Seine Familie baute die Distillery nach der Prohibition wieder auf und verkaufte Bulk Whiskey an diverse Abfüller. Einer davon hieß Austin Nichols und war passionierter Truthahn-Jäger. Als sein Mitarbeiter Thomas McCarthy 1942 einige Samples der Destillerie auf der Jagd mit Kumpels verteilt, steht der Name fest, unter dem er ihn abfüllen wird: Wild Turkey. Es sollte aber noch bis 1971 dauern, bis Nichols selbst die Destillerie kauft, die zwischenzeitig auch nicht mehr den Ripys gehört. 1980 schließlich schluckt Pernod Ricard Wild Turkey, um die Marke dann 2009 samt Brennerei an Campari abzugeben.
Die Herstellung dieses Bourbons
Unbeeindruckt davon brennt man in Kentucky aber weiterhin nach alter Tradition: Die Bourbons von Wild Turkey verfügen über einen vergleichweise hohen Rye-Anteil und besitzen entsprechend eine etwas kräftigere Würze; gereift sind sie mindestens 5 Jahre, ein Teil des Whiskeys ist aber bis zu sieben Jahre alt. Das „Kentucky Straight“ im Namen weist darauf hin, dass mindestens zwei Jahre der Reifung in Kentucky stattgefunden haben, der Whiskey nicht gefärbt ist, und wie es bei American Whiskey Gesetz ist, fand die Reifung natürlich in ungebrauchten Fässern aus amerikanischer Weißeiche statt.
Die sind – anders als bei den meisten anderen Whiskeys – nicht nur leicht angeröstet (man macht das, um die Eiche zu „aktivieren“), sondern werden bis zu 60 Sekunden lang mit direktem Feuer bearbeitet. „Alligator Char“ nennt sich das wegen der schuppenartigen Verkohlung, die das Holz dabei annimmt. Diese intensive Schwärzung hat natürlich auch starken Einfluss auf den Geschmack – aber wie fällt der nun eigentlich aus?
So schmeckt Wild Turkey Bourbon
Mit der Farbe von hellem Honig strahlt der Whiskey im Glas, schwenkt sich ölig und zieht einen ganzen Vorhang aus dicken Tropfen am Glasrand nach dem Schwenken. In der Nase sammeln sich spannende Noten von weißfleischigem Obst, Zitrusfrüchten, Getreide, Holz und etwas Karamell. Die Bourbon-typische Vanille ist natürlich auch wahrnehmbar, fällt hinter den angenehmen fruchtigen Eindrücken aber etwas zurück.
Nase: Weißfleischiges Obst, Zitrusfrüchte, Getreide, Holz, Karamell, Vanille
Mund: Geröstetes Holz, Vanille, Birne, Karamell, Fudge
Auf der Zunge spiegeln sich all diese Eindrücke wider, allerdings zeigen sich hier die Einflüsse der Eiche deutlich intensiver: kräftige, geröstete Holz-Noten treffen auf Vanille, Birne und einen ganz sanften Hauch von Karamell und Fudge mit leicht würzigen Noten.
So schmeckt Wild Turkey Bourbon 101 Proof
Farblich zeigt sich der 101 ohne Unterschied, die Viskosität erscheint jedoch deutlich cremiger, die Tropfen nach dem Schwenken sind schwerer, dicker, langsamer. Die Nase ist intensiver und eindringlicher, genau wie der höhere Alkoholgehalt vermuten lässt: Vanille und geröstete Eiche sind sofort bemerkbar, dazu kommen Noten von Karamell, reifen Birnen und Toffee. Eine spannende Roggen-Würze gesellt sich dazu, sobald man das Glas ein paar Minuten stehen lässt.
Nase: Vanille, geröstete Eiche, Karamell, reife Birnen, Toffee, Roggen
Mund: Roggen, Holz, Vanille, Orangen, Karamell, Honig
Das Mehr an Kraft spiegelt sich auch im Geschmack wider – der Roggen-Anteil zeigt sich eindringlicher, mit mehr würzigen Noten, kräftigem Holz, einer angenehm natürlichen Vanille und einem Beiklang von Orangen und Karamell. Dazu kommt ein recht intensiver Honig, der auch im Nachhall angenehm lange bestehen bleibt.
Der Wild Turkey Bourbon pur und in Cocktails
Beide Bourbons sind angenehm zu trinken, Eis ist für Pur-Trinker nicht notwendig, zumindest der 101 verträgt aber welches, ohne dadurch in die totale Aromenlosigkeit abzudriften. Bei der Cocktail-tauglichkeit scheiden sich im Test ein wenig die Geister. Vorweg: Beide Wild Turkeys machen hervorragende Cocktails, aber der 101 spielt sein merklich intensiveres Aroma natürlich gerade in Shortdrinks wie einem Manhattan oder einem Old Fashioned deutlich aus. Vor allem der Manhattan ist allerdings etwas, das im Test mit dem Wild Turkey 81 Proof auch bei Verkostungs-Besuchern ankommt, die sonst eher weniger auf die härteren Sachen stehen – das macht ihn unserer Ansicht nach zu einem ziemlich guten Einsteiger-Whiskey.
Der Autor dieser Zeilen ist jedoch relativ eindeutig dem 101 zugetan. Die größere Intensität und deutlich einprägsamere Würze des Rye-Anteils, die hier durchkommt, sorgt einfach für etwas komplexere Drinks. Bei Cocktails wie unserer White-Russian-Variante Oaked Latte ist die allerdings sogar etwas kontraproduktiv, weswegen wir hier tatsächlich lieber auf die 40,5-prozentige setzen. Wer auf Whiskey Sours ohne Eis steht, fährt mit dem ebenso besser – er kann auch ein wenig wärmer werden, ohne dass der Drink untrinkbar wird. Wir hatten’s ja erwähnt: dieser Artikel macht die Entscheidung zwischen den beiden Bourbons für euch wahrscheinlich nur bedingt leichter. Aber vielleicht sucht ihr euch einfach einen unserer beiden eigenen Drinks aus – und entscheidet dann, ob und welche Flasche Wild Turkey Kentucky Straight Bourbon ihr euch ins Haus holt.
Oaked Latte
- 3 cl Wild Turkey Bourbon
- 3 cl Kaffeelikör
- 2 cl Sahne
- 2 cl Weißer Schokoladen-Likör
Bourbon und Kaffeelikör in einen Tumbler auf Eis gießen, Sahne mit Likör im Shaker auf Eis schaumig schlagen und über die Mischung im Glas geben. Mit Muskatnuss garnieren. Trinken.
Smoked Hunter Cocktail
- 6 cl Wild Turkey 101
- 2 cl Cherry Heering
- 4 Dashes Dr. Sours Bitters Papá Moi (Tabak Bitters)
Alles zusammen auf Eis rühren und unter der Glaskuppel räuchern. Trinken.
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Fazit: Zwei tolle Bourbons, einer zurückhaltend-angenehm-rund, der andere (der 101 mit 50,5%) mit sehr viel Kraft und spannender Roggenwürze. Beide sind sehr gute Allrounder in allen American Whiskey-Klassikern, welchen ihr bevorzugt ist praktisch nur eine Geschmacksfrage.
Daten: USA, um 20 Euro, 0,7 Liter, 40,5/50,5 Prozent
Campari Deutschland hat uns eine Flasche der Produkte für redaktionelle Zwecke zur Verfügung gestellt, danach aber weder auf Art noch Umfang eventueller Artikel, noch das Tasting Einfluss zu nehmen versucht. Wir sagen Danke für die tolle und unkomplizierte Zusammenarbeit.
Zuletzt überarbeitet am
Cooler Artikel, vielen Dank dafür. Ich überlege schon lange, mir den Wilden Truthahn zuzulegen. Ihr habt mich nun überzeugt, aber auch wieder verwirrt. Welchen nehme ich nun? Ich liebe den Old Fashioned aber auch einen guten Whisky Sour. Den Oaked Latte werde ich am WE mal probieren, der liest sich nach einem guten Dessertdrink.
Aber mal was anderes: Könnt Ihr bitte das räuchern ein wenig näher beleuchten? Das ist mal etwas spannendes, so etwas habe ich eigentlich noch nicht wirklich gesehen.
Hi Arka,
danke für das Lob 🙂 Wenn du’s eher kräftig magst, hol‘ dir den 101 – der normale ist dafür aber etwas massentauglicher 🙂
Smoking Gun-Artikel kommt übrigens definitiv – aber da sind wir noch in einer ziemlich spaßigen Recherchephase!